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Fachbeitrag

Culture Marketing – neues Denken und neue Chancen

Auch wenn Corona als Katalysator fungiert haben mag: die Digitalisierung des Culture Marketing erscheint im Rückblick der letzten 20 Jahre als geradezu linearer Prozess.

Werbung und Verkauf von Kulturereignissen, Kulturdienstleistungen und Kunstwerken entwickelte sich zu einem integrierten Prozess von Kulturpoduktion, Publikumsentwicklung und Publikumsbindung. Im Idealfall entsteht daraus eine dauerhafte, nachhaltig erfolgreiche Kommunikation. Diese Kommunikation ist zunehmend selbstlernend und transferiert über Implementierungen künstlicher Intelligenz eine unendliche Menge von Daten in die Entwicklung umsatzträchtiger Algorithmen.

Zielgruppen werden geschärft oder neu generiert, neu definiert und rationalisiert. Erfolg versprechende Kulturangebote werden entsprechend konfiguriert und optimiert: Das selbstlernende Culture Marketing entwickelt sich zunehmend zur bestimmenden Kraft, die in die Kulturproduktion selbst hineinwirkt. Themen, Stoffe und Akteure, Spielorte, Ausstattung und Produktkonfiguration: die Marktfaktoren drängen sich zwischen die traditionellen, originär künstlerisch-kreativen Determinanten. 

Fragestellungen und Probleme in Bezug auf die Freiheit der Kunst, die Kraft der Kreativität und die Funktion von Kunst und Kultur als gesellschaftliches Korrektiv sind kaum überschaubar.

Abgesehen von den neuen inhaltlichen Fragestellungen der Kulturproduktion müssen sich die Akteure zunehmend auch damit befassen, ob und wie Kulturereignisse, die bisher auf der Bühne oder im offenen Raum vor Publikum stattfanden, digital übertragen werden können, und das möglichst verlustfrei in Bezug auf die künstlerische Substanz und die erlebbare Wirkung. Vorausgesetzt wird dabei die Bereitschaft des Publikums, für solche Angebote auch zu bezahlen.

Einrichtungen wie die Bayerische Staatsoper wehren sich gegen eine substantielle Veränderung der Kunstform Oper in dem Sinne, dass das einzigartige und einmalige Bühnenerlebnis vor Publikum auch als Bildschirmübertragung angeboten wird.

Seit Jahren hat Intendant Peter Gelb die Metropolitan Opera New York zu einem lukrativen Parallel-Medienunternehmen entwickelt. Große Dolby-Surround-Sound-Kinos weltweit werden mit Live-Übertragungen aus dem größten Opernhaus der Welt versorgt. Doch Gelb läßt zumindest offiziell keinen Zweifel daran, dass damit vor allem die Awareness, die Markenbekanntheit seines Hauses im Herzen Manhattans gestärkt werden soll.

Zusammengefasst geht es für die Kulturwirtschaft darum, die Chancen der digitalen Zeit zu erkennen und zu produktiv zu nutzen, anstatt von ihnen dominiert zu werden. Die Vermarktungschancen von Kulturereignissen, sich ändernde Publikumspreferenzen und die Akzeptanz ganz neuer Angebote  können mit Methoden der KI immer präziser analysiert und prognostiziert werden. Hier Visionen und mutigen Konzepten weiter Raum zu geben, wird eine Hauptaufgabe sein.

Auf den Social Media-Kanälen trägt sich die Kultur zu Markte und sucht den Nahkampf: Folgt sie vor allem der affirmativ ausgerichteten Eigengesetzlichkeit dieser neuen Plattformen oder bringt sie etwas Eigenes, Veränderndes ein?

Große, traditionsreiche Kultureinrichtungen und Festivals stehen mitten in einem digitalen Transformationsprozess. Es ist kaum vorauszusehen, wie der Prozess die Künste und Künstler, Publikum und die Gesellschaft als Ganzes verändern wird. Offenheit und Widerständigkeit – beides ist gefragt.