Brücken mit den Mitteln der Kunst bauen
Der gemeinnützige Verein Art and Prison e.V. setzt Kunst als Ausdrucks- und Bildungsmittel ein, um Inhaftierten eine Stimme zu verleihen, inhaftierten Frauen, Männern und Jugendlichen einen Raum zu geben, in dem sie nicht auf ihren Status als „Kriminelle“ reduziert werden, sondern sich als Personen mit einer unantastbaren Würde artikulieren können.
Der Verein lobt alle zwei Jahre einen internationalen Kunstwettbewerb aus und stellt in einer europaweiten Wanderausstellung die Werke der inhaftierten Künstler und Künstlerinnen aus.
Internationale Kunstwettbewerbe und eine einzigartige Sammlung von Gefängniskunst
Im Rahmen der weltweit ausgeschriebenen Kunstwettbewerbe werden inhaftierte Frauen, Männer und Jugendliche aller Kontinente in mittlerweile mehr als 10 Sprachen eingeladen, Kunstwerke anzufertigen und einzureichen und sich einer internationalen Jury zu stellen.
Zur Jury gehören Persönlichkeiten wie der Schauspieler Michael Mendl, die Künstlerin und Vorsitzende des Kunstvereins Graz Renate Christin, ehemalige Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste, Andra Spallart, Kunstsammlerin, sowie Yvonne zu Dohna Schlobitten, Professorin für Kunstgeschichte, Gregoriana Rom. Vorsitzender der Jury ist Dr. Peter Lodermeyer, Kunsthistoriker und Kunstkritiker.
Die vier internationalen Kunstwettbewerbe hatten folgende Themen:
1. Kunstwettbewerb 2009 – 2010: „Mit den Augen der Anderen“
2. Kunstwettbewerb 2011 – 2012: „Von Licht und Dunkel“
3. Kunstwettbewerb 2014 – 2015: "Ein halber Quadratmeter Freiheit"
4. Kunstwettbewerb 2016 – 2017: „Zwischen hier und dort“
Die Vielfalt der eingegangenen Wettbewerbseinsendungen und Donationen machen die „bunte Mischung“ der stetig wachsenden und mittlerweile weltweit einmaligen Sammlung von Gefängniskunst des Vereins Art und Prison e.V. aus. Die Sammlung umfasst heute 1500 Werke und hat einen beachtlichen internationalen Radius erreicht, gehören zu ihr doch Werke aus Osteuropa, Asien, Australien, Nordamerika und Südamerika und selbstverständlich aus den westlichen Ländern Europas.
Auffallend, so bemerken viele Besucher der Ausstellungen immer wieder, sind die überaus große technische Qualität der Werke und ihre ganz besondere Ausdruckskraft. Mit dem Bewusstsein, dass es weltweit in den verschiedenen Gefängnissen unterschiedlichste Einschränkungen bei der Wahl der Maltechnik und der Materialien gibt, wird die dennoch erreichte Vielfalt bewundert und geschätzt. Allen Werken scheint dasselbe ganz Besondere innezuwohnen. Vielleicht sind es die Authentizität, die Besonderheit der Umstände, der Verlust der Freiheit… etwas, dem man sich als Betrachter auch nachhaltig nicht entziehen kann.
Wanderausstellung der Gefängniskunst in Europa
Bei den bisherigen Ausstellungen konnten weit mehr als 10.000 Besucher erreicht werden. Zu den Gästen zählen immer wieder auch Schulklassen, Gruppen von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Schöffen, sowie Jugendliche, die sich nach Verbüßung kurzer Haftstrafen in Resozialisierungsprogrammen befinden. Zahlreiche Medien berichteten im In- und Ausland über die aktuellen Ausstellungen und die Arbeit des Vereins.
Wichtige Ausstellungsetappen der letzten Jahre:
- 2013: Berlin - Bundesministerium der Justiz und Freising „Altes Gefängnis“
- 2014:Paris- „AmericanCenterfor the Arts“. Die dreimonatige Ausstellung wurde von einem intensiven und außerordentlich gut besuchten Begleitprogramm flankiert und mit Partnern, wie Carceropolis (Paris), dem Koestler Trust (London) und vielen anderen Projektinitiativen durchgeführt.
- 2015: Vaduz - Unter der Schirmherrschaft von Erbprinzessin Sophie von und zu Liechtenstein wurde eine dreimonatige Sonderausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum in Vaduz gezeigt und wegen der guten Resonanz um weitere zwei Monate verlängert.
- München, Lichthalle des Justizpalastes - Diese Veranstaltung wurde durch den ehemaligen Bayerischen Staatsminister der Justiz, Prof. Dr. Winfried Bausback und durch die ehemalige Schirmfrau der Wanderausstellung, Donata Freifrau von Schenck zu Schweinsberg, Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, unterstützt.
- 2016: Berlin - Gendarmenmarkt bei der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney (internationale Unternehmensberatung) sowie Dauerausstellung in der Geschäftsstelle des Vereins in Berlin Kreuzberg
- 2018: Vaduz (Liechtenstein), Liechtensteinisches Landesmuseum, St Nazaire, Paris und Strasbourg (Frankreich) gemeinsam mit dem Schwesterverein Art et Prison France, Örebro (Schweden) Landesmuseum
- 2019: Herzogschloss und Stadtmuseum der Stadt Zweibrücken (Rheinland-Pfalz)
Warum Gefängnis?
Weltweit verbringen Menschen einen Teil ihrer Lebenszeit in Haft: in Untersuchungshaft, Abschiebehaft, Strafhaft oder in Sicherheitsverwahrung. Ihre Lebensumstände dort sind weltweit sehr unterschiedlich. Sie reichen von Zellen mit richtigen Betten oder dem blanken Boden zum Schlafen in überbelegten Räumen, zu technisch hoch gesicherten forensischen Abteilungen, über Mutter-und-Kind-Stationen bis hin zu Einzelzellen mit Doppelvergitterung und Lüftungsschlitzen.
Den Inhaftierten werden unterschiedlichste Arten von Verbrechen und Anschuldigungen zur Last gelegt, zu Recht, manchmal aber auch zu Unrecht, zum Teil Verbrechen, die nicht in allen Teilen der Welt als kriminell gelten, wie die Ausübung von Meinungsfreiheit oder einer bestimmten Religion. In fast allen Fällen haben die inhaftierten Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer mit einem sehr großen Maß an Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu kämpfen. In vielen Fällen führen Aufenthalte im Gefängnis zu Radikalisierung oder zu Kriminalisierung.
Weit über Deutschland hinaus hat Art and Prison e.V. mit seinen Kunstwettbewerben, Ausstellungen und deren Begleitveranstaltungen Prozesse der Selbstreflexion, des Dialogs und der Versuche der Aussöhnung angestoßen. Zahlreichen inhaftierten Frauen, Männern und Jugendlichen wurde die Gelegenheit gegeben, durch künstlerisches Schaffen, die eigene Kreativität zu entdecken, Selbstvertrauen (wieder) zu finden und sich mit der eigenen Vergangenheit und Zukunft auseinanderzusetzen, was nicht zuletzt auch für die Auseinandersetzung mit den Folgen der Tat für die Opfer von Kriminalität Bedeutung hat. Eine Studie des Koestler Trust hat die positiven Folgen solcher Aktivitäten auf die Resozialisation und die Reduzeirung des Rezidivismus herausgestellt.
Der Verein Art and Prison und seine Kooperationspartner
Art and Prison e.V. ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, parteipolitisch und konfessionell unabhängig, mit Sitz in Berlin. Seine Aktivitäten finanzieren sich aus Spenden, Sponsoring und Beiträgen seiner Mitglieder. Der Verein arbeitet eng mit Partnerorganisationen zusammen und baut sein Netzwerk europaweit aus. Hierzu gehören beispielsweise die Initiativen zur Gründung eines französischen Schwestervereins „Art et Prison France“, der zwischenzeitlich ebenfalls als gemeinnützige Organisation nach französischem Recht anerkannt wurde). Der schweizerische Verein „Art and Prison Schweiz“ mit Sitz in Bern hat sich 2016 gegründet. Zu nennen ist ebenfalls die französische Organisation Carceropolis, die multimediale Einblicke in die Haftbedingungen französischer Gefängnissen gibt. Eine jahrelange Zusammenarbeit verbindet Art and Prison e.V. mit CSArt (Communicazione per l’Arte) Besonders wichtig ist dem Verein der Ausbau einer Partnerschaft mit der internationalen Organisation Children of Prisoners, welche in Frankreich ihren Sitz hat.
Highlights 2020
Herbst 2020: Ausstellung im Menschenrechtszentrum Cottbus mit dem Thema "Haft ist Haft".