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Studie

Studie 2018 - Ästhetik im Kultursponsoring

Sollen Autos, Sofas und Kaffeemaschinen ansprechend wirken und deshalb besonders gut bei potentiellen Kunden ankommen, sind ästhetisch ambitionierte Designer am Werk. Ästhetik ist inzwischen in unserem Alltag und in unserem Lebensumfeld angekommen. Sie erhöht nicht nur die sinnliche Qualität von Produkten, sondern bereichert das menschliche Dasein in all seinen Facetten. Auch die Gestaltung von Partnerschaften zwischen Kultur und Wirtschaft kann unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet werden: In der Planung und Umsetzung von Kultursponsorings soll es nicht nur darum gehen, die Partnerschaft nach außen „schön“ und ansprechend zu gestalten, sondern sie auch nach innen als möglichst harmonischen Gleichklang zu leben, um damit alle Potentiale auszuschöpfen.

Um die Ästhetik im Kultursponsoring näher zu beleuchten, wurde eine quantitative Online-Umfrage erstellt sowie sechs qualitative Experteninterviews mit jeweils drei Experten aus Kultur und Wirtschaft durchgeführt. Insgesamt 216 Kulturanbieter und 59 Unternehmen beteiligten sich an der Online-Umfrage und teilten in anonymisierter Form ihre Erfahrungen zum ästhetischen Anspruch in der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft.

Ästhetik und Kultursponsoring

In der Online-Umfrage wurden die Befragten zunächst nach ihrem Verständnis von Ästhetik gefragt: Sowohl für Kulturanbieter als auch für Sponsoring-verantwortliche in der Wirtschaft spielt die „Ästhetik als sinnliche Wahrnehmung“ die größte Rolle (K: 75,6 %, U: 72,2 %). Die Ästhetik im Sinne eines programmatischen Ansatzes, der sich auf die inhaltliche Ausrichtung von Handlungsweisen und Methodik bezieht, wird von beiden Seiten als weniger relevant bewertet (K: 33,3 %, U: 40,9 %).
Die ästhetische Dimension in der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft – so zeigten die Experteninterviews – erschließt sich einzig durch ein breites Verständnis von Ästhetik. In diesem Kontext bedeutet Ästhetik weit mehr als die Lehre des Schönen; sie ist aus ihrer Ursprungsbedeutung „aísthesis“ heraus zu verstehen und umfasst die sinnliche Wahrnehmung, der durch ihre Vollkommenheit im Baumgart’schen Sinne auch ein eigener Erkenntnisgewinn innewohnt (vgl. Baumgarten 1758/2007). Der Anspruch von ästhetischen Kulturpartnerschaften liegt in der Vollkommenheit der allumfassenden, sinnlichen Wahrnehmung und dem damit einhergehenden Erkenntnisgewinn, der sich innerhalb des Publikums durch einen nachhaltigen Imagetransfer äußert.

In ihrer täglichen Arbeit sehen Kulturanbieter und Wirtschaftsunternehmen die Ästhetik in direkter Verbindung mit der Kommunikation nach außen (K: 71,8 %, U: 81,8 %). Der hiermit verbundene designorientierte Ästhetikbegriff, stellt jedoch besonders die äußerliche Darstellung der Partnerschaft in den Vordergrund. Eine ästhetische Dimension im Kultursponsoring erweitert das einfache Logo-gegen-Image-Verhältnis um einen Tiefgang, der sich in einer gemeinsamen Ästhetik nach innen und außen äußert. Die Ästhetik ist dabei das Grundelement, das sich durch die gesamte strategische und inhaltliche Ausrichtung der Partnerschaft zieht.

Ästhetik als Motiv?
Sowohl die Online-Befragung als auch die Experteninterviews haben gezeigt, dass besonders Kulturanbieter in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft von Zahlen und rationalen Fakten – kurz: von Effizienz getrieben sind. Insgesamt 93,6 % der Befragten in der Kultur nennen die Vergrößerung der medialen Reichweite als wichtiges bzw. sehr wichtiges Motiv für eine Sponsoringpartnerschaft. Es folgt die Erhöhung der Bekanntheit der Kulturinstitution (89,7 %) und der Ausgleich eines finanziellen Fehlbedarfs (87,2 %). Motive, die die Partnerschaft auf ein neues Qualitätslevel heben und zur eigenen Markenentwicklung sowie zu deren ästhetischer Wahrnehmung beitragen, wie die Positionierung der Kulturinstitution als Marke oder auch der mögliche Know-How-Transfer zwischen Kultur und Wirtschaft, spielen eine untergeordnete Rolle. Auch in Zukunft bevorzugen 97,4 % der Kulturanbieter mit Abstand die Finanzmittel als Sponsoringleistung der Unternehmen. Medialeistung (62,8 %), Sachmittel (47,4 %), Know- How-Transfer (z.B. zum Thema Betriebswirtschaft, Führungsmanagement, Marketing) (35,9 %) und Arbeits-/Dienstleistungen (25,6 %) schließen sich an. Dennoch verkaufen sich Kulturanbieter nicht um jeden Preis: 85,9 % geben an, interne Ausschlusskriterien für die Wahl von Sponsoren zu haben. Das meistgenannte Kriterium ist das Image des Unternehmens (86,4 %), gefolgt von der Branche des Unternehmens (80,3 %). Der ästhetische Kommunikationsstil des Unternehmens spielt hingegen nur für 40,9 % der Kulturanbieter eine Rolle.

Die Fokussierung der Kulturanbieter auf die Wirtschaftlichkeit von Kultursponsoring steht einem ästhetischen Anspruch der Kulturförderer gegenüber, der sich weg von der reinen Transaktion hin zu einer Interaktion zwischen Wirtschaft und Kultur bewegt, wie besonders die Experteninterviews gezeigt haben. Alle drei Wirtschaftsexperten betonten, wie wichtig es ihnen in Kultursponsoring-Partnerschaften ist, nicht nur als Geldgeber wahrgenommen zu werden. Ziel sei es, Beziehungen aufzubauen, in denen beide Seiten voneinander lernen und sich gegenseitig weiterentwickeln. Gleichzeitig sollte sich der ästhetische Anspruch des Unternehmens und die damit verbundene Haltung auch im kulturellen Engagement widerspiegeln. Der Aspekt der Haltung wurde auch in der quantitativen Online-Umfrage hervorgehoben, indem 81,8 % der befragten Unternehmen die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung als wichtigstes Motiv in ihrer Kultursponsoring- Aktivität sehen.

Auch wenn „nur“ 62,6 % der Wirtschaftsunternehmen die Stärkung der ästhetischen Wahrnehmung der eigenen Marke als wichtiges bzw. sehr wichtiges Motiv im Kultursponsoring betrachten, so sind sich die Experten fast alle einig: Die ganzheitliche Wahrnehmung des Unternehmens muss Anspruch der CSR-Aktivitäten eines Unternehmens sein. Über die sinnliche und ganzheitliche Wahrnehmung eignen sich Rezipienten Wissen und Erkenntnisse an, die durch eine rein begriffliche Kommunikation in dieser Form nie erreicht worden wäre. Die vollkommene und schlüssige Wahrnehmung der Partnerschaft zwischen Kultur und Wirtschaft beim Rezipienten generiert damit auch ein ganzheitliches Erscheinungsbild des Unternehmens (und letztlich auch der Kulturinstitution) und lässt die Unternehmenskultur erfahrbar für den Betrachter werden.

Ästhetik – Effizienz – Kreativität


Abschließend wurden die Online-Teilnehmer nach Ihrer Einschätzung zum Verhältnis von Ästhetik, Effizienz und Kreativität in Kultursponsoring-Partnerschaften befragt. Die Effizienz wird hierbei als Gegenüberstellung der eingesetzten Ressourcen („Kosten“) und die realisierte (Kommunikations-)Wirkung („Nutzen“) (vgl. Bruhn 2018) betrachtet. Signifikant ist, dass sowohl Kulturanbieter als auch Unternehmen die Effizienz an erster Stelle (K: 45,1 %, U: 42,5 %) sehen. Ästhetik findet in dieser Konstellation nachrangige Betrachtung. Diese Einordnung steht im Widerspruch zur Frage nach der regelmäßigen Evaluierung: 56,4 % der Kulturanbieter evaluieren derzeit ihre Kultursponsoring-Aktivitäten nicht, dennoch wird die Effizienz als relevantestes Kriterium gesehen. Betrachtet man nur die Antworten der Kulturanbieter, die derzeit keine Evaluierungen durchführen, so steigt der Anteil der Effizienz sogar auf 50,9 %. Um die Effizienz, im Sinne einer Aufwand-Nutzen-Relation überhaupt bewerten zu können oder gar verbessern zu können, ist es jedoch wichtig, die beiden Komponenten (Aufwand und Nutzen) zu analysieren und einzuordnen. Bei Kulturanbietern gilt dies nicht nur für die eigene Effizienz, sondern auch für die Effizienzbetrachtung aus Sicht von potentiellen Sponsoren.

Ohne die Ästhetik instrumentalisieren zu wollen, muss sich die Frage gestellt werden, inwiefern die Ästhetik – und damit eine nach außen und innen vollkommene Kulturpartnerschaft – auch zur Effizienz in der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft beitragen kann.

Mehr Ästhetik und Effizienz im Kultursponsoring!
Die Ästhetik im Kultursponsoring offenbart sich in der Vollkommenheit der Partnerschaft selbst. Die identitätsbasierte Verbindung zwischen Sponsor und Gesponsertem ist Ausdruck einer stimmigen Partnerschaft, innerhalb derer beide Partner aufgrund des hohen Schnittmengenpotentials als eine harmonische Einheit wahrgenommen werden. Kultur und Wirtschaft begegnen sich auf Augenhöhe und pflegen einen intensiven Austausch in Bezug auf die Aktivierung der Partnerschaft nach innen und außen. Die gegenseitige Inspiration und der intensive Erfahrungsaustausch sollen eine innerbetriebliche Weiterentwicklung sowohl des Kultur- als auch des Wirtschaftsunternehmens ermöglichen. Zentrales Anliegen von ästhetischen Kultursponsoring-Partnerschaften bleibt jedoch, die identitätsbasierte Verbindung der Partner durch eine vollkommene und ästhetische Wahrnehmung in das potentielle Publikum zu transportieren. Daraus folgt ein elementarer Mehrwert für beide Seiten: Der ästhetische Anspruch im Kultursponsoring führt zu einer effizienteren Ansprache der potentiellen Zielgruppen, weil die ästhetischen Präferenzen berücksichtigt werden und die identitätsbasierte Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft in einem ästhetisch-wahrnehmbaren Rahmen in den Köpfen der Zielgruppe verankert wird. Die immanente Vollkommenheit der Partnerschaft manifestiert sich in einem gegenseitigen Werte- bzw. Imagetransfer, wodurch sich ein positiver Abstrahleffekt sowohl auf Kultur- als auch auf Wirtschaftsseite ergibt, der zur eigenen harmonischen Einheit beiträgt. Auf diese Weise können die festgelegten Kommunikationsziele im Unternehmen effizienter erreicht werden und damit auch für Kulturanbieter ein monetärer Vorteil ermöglicht werden. Darüber hinaus ist der gegenseitige Erfahrungsaustausch und der daraus resultierende Lerneffekt auf beiden Seiten als Mehrwert im ästhetischen Kultursponsoring zu nennen. Durch den intensiven Austausch unterstützen sich die Partner in der eigenen Weiterentwicklung und stärken damit die eigene Marke. Dies hat nicht zuletzt auch eine Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der erzielten Wirkung zum Ergebnis. Speziell für die Wirtschaftsunternehmen bildet der ästhetische Aspekt von Kultursponsoring die Möglichkeit, Unternehmenskultur nach innen und außen erlebbar zu machen und die Mitarbeiter zu motivieren. Vor allem aber wird durch ästhetisches Kultursponsoring den Unternehmen eine Plattform geschaffen, sich als Marke mit Tiefgang zu positionieren und der Gesellschaft, innerhalb derer sie wirtschaftlich erfolgreich sind, etwas zurückzugeben. Damit entsteht durch intensive Förderung von Kultur auch für die Gesellschaft ein wichtiger Mehrwert, der sich durch den Erhalt von kultureller Vielfalt und der Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe an Kultur äußert.

Literaturangaben:

Baumgarten, Alexander Gottlieb (1758/2007): Ästhetik (verfasst 1758). Übersetzt, mit einer Einführung, Anmerkungen und Registern herausgegeben von Dagmar Mirbach, Hamburg.

Bruhn, Manfred (2018): Sponsoring. Systematische Planung und integrativer Einsatz, 6. Auflage, Wiesbaden.