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Ute Vorkoeper, künstlerische Leiterin der Kunstplattform der IBA Hamburg, und Uli Hellweg, Geschäftsführer IBA Hamburg Gmbh (c) IBA Hamburg GmbH / Rene Reckschwardt

Ute Vorkoeper, künstlerische Leiterin der Kunstplattform der IBA Hamburg, und Uli Hellweg, Geschäftsführer IBA Hamburg Gmbh
(c) IBA Hamburg GmbH / Rene Reckschwardt

Interview

IBA Hamburg: Interview mit Uli Hellweg (IBA Hamburg) & Ute Vorkoeper

Künstlerische Interventionen sind zentraler Bestandteil unserer Baukultur


Welcher Stellenwert kommt Kunst und Kultur im Rahmen der IBA Hamburg zu?

Uli Hellweg: Kunst und Kultur sind wesentliche Bestandteile einer integrierten Stadtentwicklung. Sie haben die Kraft zur Gestaltung, aber auch zur Auseinandersetzung, ermöglichen Teilhabe sowie Toleranz und Offenheit im gesellschaftlichen Miteinander. Im Rahmen der IBA Hamburg interessiert mich zum einen die Frage, welchen Beitrag Kunst und Kultur tatsächlich zu einer neuen kosmopolitischen Qualität von Stadtgesellschaft beitragen können. Zum anderen ist mir der Dialog mit Künstlerinnen und Künstlern wichtig, um unsere professionellen Methoden und Verfahren im Licht anderer Interpretationen und Interventionen zu überprüfen und zu hinterfragen. Architekten und Planer neigen dazu, die Welt zu verändern bevor sie sie „interpretiert“ haben. Sie können da viel von Künstlern (und Philosophen) lernen.

Ute Vorkoeper: Kunst und Kultur haben es schwer im IBA-Kosmos. Es ist ein kleiner, gegen Funktionslogik, Sparzwänge, die Vorwürfe der Geldverschwendung wie der Instrumentalisierung zu verteidigender Bereich. Die Kritiker übersehen die starken Kunstprojekte, die auf den Elbinseln realisiert werden. Sie unterbrechen den Stadtalltag ebenso wie die perfekten Planungsoberflächen mit Ungewohntem, verdrängten Geschichten und einer Ahnung von Zukunft. Dieses Vermögen der Kunst sollte im Rahmen der Stadtentwicklung noch ernster genommen werden.

Welches Kunst- und Kulturverständnis liegt den Projekten der IBA Hamburg zugrunde?

Uli Hellweg: Künstlerische Interventionen sind ein zentraler Bestandteil unserer Baukultur. Architektur und Städtebau sind ihr zentraler, aber nicht ihr ausschließlicher Bestandteil. Unser Kunstverständnis bezieht daher die Alltagskultur der Menschen, ihre sozialen und kulturellen Lebensbedingungen mit ein. Die von der IBA initiierten Projekte setzen konkret am Leben der Bewohner vor Ort an, z.B. über das Thema der Bildung wie mit der „Akademie einer anderen Stadt“, aber auch über Orte wie z. B. den Veringhöfen am Reiherstiegkanal.

Ute Vorkoeper: Leitmotiv ist für mich die verwickelte Frage nach Freiheit und Verantwortung von Kunst im gesellschaftlichen Feld – gern außerhalb der Kunstinstitutionen. Kunstbegriffe oder Strategien interessieren mich weniger, sondern die Zusammenarbeit mit Künstler/innen, die sich offen einlassen auf andere Menschen und unbekannte Situationen und deren Arbeiten unvorhergesehen einzigartig ausfallen.

Herr Hellweg, wie geht die IBA Hamburg mit dem Spannungsfeld um, einerseits stadtentwicklungspolitische Planung zu betreiben und andererseits die Unplanbarkeit von Kunst- und Kulturprojekten zuzulassen?

Uli Hellweg: Wir verfolgen nicht die Auffassung, künstlerische und kulturelle Entwicklungen vorgeben oder strategisch planen zu können. Mit dem Projekt „Kreatives Quartier Elbinsel“ geht es uns vielmehr darum, Möglichkeitsräume zu schaffen, die genügend Offenheit besitzen, sich selbst zu entwickeln und dadurch weiter fortbestehen können. Nichtsdestotrotz benötigen viele Projekte in ihrer Anfangsphase Unterstützung, bei der wir vielfach behilflich sind.

Frau Vorkoeper, wie gehen künstlerische Projekte mit dem Spannungsfeld von Planung und Unplanbarkeit um?

Ute Vorkoeper: Erst durch eine Öffnung auf Unvorhergesehenes kann etwas Einzigartiges in die Welt treten. Diese Unplanbarkeit und Ergebnisoffenheit meint aber keinesfalls Planlosigkeit, sondern ist verknüpft mit der Verantwortung der Künstler/innen, ihrer sorgfältigen Aufmerksamkeit und Arbeit. Von „gelingender Kunst“ kann man dort sprechen, wo beides so zusammentrifft, dass ein unerwartetes Werk entsteht, um das sich ein Resonanzraum bildet. Das Risiko des Scheiterns gehört dazu.

Herr Hellweg, wann hat Sie ein/e Künstler/in das letzte Mal überrascht?

Uli Hellweg: Bob Dylan bei seinem Konzert im Mai 2011 in China – negativ! Weil er kein Wort über die Verschleppung von Ai Weiwei verloren hat!

Frau Vorkoeper, wann hat Sie ein/e Stadt- planer/in das letzte Mal überrascht?

Ute Vorkoeper: Mich überraschen alle Stadtplaner/innen, denn ich empfinde fast immer eine Diskrepanz zwischen ihrem verantwortungsbewussten Wollen und den perfekt gestalteten Stadträumen. Muss alles fertig werden? Kann es auch Planungsprozesse geben, die Gestaltungsraum lassen, die etwas unfertig lassen? Kunst – als Freiraum für Unbestimmtes und Unvorhergesehenes – bietet sich hier als Vorbild an.

Wie sieht Ihre kulturelle Vision für das Abschlussjahr der IBA Hamburg 2013 sowie die Post-IBA Zeit, das heißt nach 2013, aus?

Uli Hellweg: Ich wünsche mir, dass möglichst alle Formate, die im Rahmen und mit Unterstützung der IBA entstanden sind, so stark sind, dass sie auch nach der IBA nachhaltig weiterentwickelt werden können. Dazu würde ich mir sehr wünschen, dass neue Kooperationen zwischen den IBA Partnern und den künstlerischen und sozialen Initiativen entstehen.

Ute Vorkoeper: Eine IBA sollte nicht enden. Ich plädiere für eine Verlängerung und dafür, dass Stadtentwicklung und Kunst auf Augenhöhe für eine andere Zukunft der Stadt zusammen arbeiten. Neben dieser Vision bemühen wir uns zusammen mit anderen kulturellen Institutionen und Initiativen um ein langfristiges Engagement für Kunst auf den Elbinseln,getragen von der Stadt sowie gemeinnützigen und privaten Förderern.

 

Dieses Interview wurde im Jahrbuch Kulturmarken 2012 veröffentlicht.

  • Aussicht auf Veränderungen 2010: Thomas Wiczak, „Wie fühlt sich zu Hause an?“, Plakataktion mit Schülern im Alten Elbtunnel (c) IBA Hamburg GmbH / Johannes Arlt