1. Der touristische Markt: Ein bedeutendes Standbein der deutschen Wirtschaft
Der Tourismus gilt in Deutschland mittlerweile als wichtiger Wirtschaftszweig. Er verfügt über einen gesamtwirtschaftlichen Produktionswert von 185 Milliarden Euro und einer Wertschöpfung von 94 Milliarden Euro. Erfolge wurden in diesem Zusammenhang vor allem im Inlandstourismus erzielt: Das Statistische Bundesamt verzeichnet 2010 rund 320 Millionen Übernachtungen im Inlandstourismus. Nutznießer dieser Entwicklung sind neben den Erholungsregionen an den deutschen Küsten vor allem die Metropolen mit einem hohen Anteil an Städte- und Kulturreisen, wie sich aus jüngsten Erhebungen der Deutschen Zentrale für Tourismus ableiten lässt.
Während Deutschland seine Position als beliebtestes Reise- und Urlaubsziel der Deutschen verstetigte, konnte es auch auf dem ausländischen Markt seine Stellung weiter ausbauen. Das Reiseland Deutschland erfährt weltweit einen Imagegewinn und landet im Nation Brands Index (NBI) unter den ersten zehn Ländern. Gute Index-Werte erhielt Deutschland aufgrund der Aspekte „Tourismus“, „Städtisches Leben“ und „Kulturelles Erbe“. Damit rückt Deutschland auch bei den internationalen Gästen als Kulturdestination stärker in den Fokus und steht mit dem Image „Kultur“ weltweit auf Rang 4. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Kulturtourismus ein Segment ist, der für zahlreiche Anbieter auf dem Tourismusmarkt interessant ist. Im Weiteren soll skizziert werden, durch welche Faktoren sich der kulturtouristische Markt auszeichnet und mit welchen Instrumenten das Marketing von kulturtouristischen Akteuren da rauf reagieren kann.
2. Das kulturtouristische Angebot: Eine wichtige touristische Ressource
Für die Betrachtung des kulturtouristischen Marktes muss zunächst eine Abgrenzung von anderen Tourismussegmenten erfolgen. Kulturtourismus stellt dabei die Gesamtheit sämtlicher Reisen und Aktivitäten von außerhalb einer bestimmten Destination lebenden Personen dar, die entweder ganz oder bis zu einem bestimmten Grad motiviert sind durch das kulturelle Angebot und Profil dieser Destination. Diese Definition geht von einem weiten Kulturbegriff im Kulturtourismus aus. Somit umfasst Kultur nicht nur Angebote von Theatern, Museen, Festspielen etc. (Hochkultur), sondern bezieht z.B. auch Riten, Traditionen, Gebräuche etc. (Alltagskultur) mit ein. Das kulturelle Angebot kann dabei bereits vorhanden („originäre/endogene Angebote“), das heisst natürlich gewachsen (z. B. Bauten, Relikte, Brauchtum) oder auch eigens für den Tourismus geschaffen worden sein („derivative/exogene Angebote“), wie z. B. die verschiedenen Besucherzentren anlässlich RUHR.2010.
Grundsätzlich sind kulturelle Angebote wie Bauwerke, Einrichtungen und Veranstaltungen längst zu wichtigen touristischen gewinnbringenden Ressourcen für Städte und Regionen geworden und werden intensiv im Rahmen des Tourismus- und Standortmarketings genutzt. Zeitgleich drängen immer mehr Akteure auf diesen profitablen Markt, womit sich der Wettbewerb um die Touristen weiter verstärkt. Daher muss der auf dem kulturtouristischen Markt agierende Kulturbetrieb die Nachfrageseite gut kennen, um entsprechendes Marketing anbieten und sich im Wettbewerb behaupten zu können.
3. Die kulturtouristische Nachfrage: vielfältig, anspruchsvoll, preisbewusst
Eine besonders große Rolle spielt das Motiv und Aktivitätsspektrum auf Seiten der Nachfrager. Die Motive von Kulturtouristen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, was den kulturtouristischen Markt grob in zwei Gruppen teilt. Zum einen werden Kulturtouristen im engeren Sinne unterschieden, deren dominierendes Reisemotiv die Kultur ist. Die weitaus größere Gruppe stellen die sogenannten Besichtigungs- bzw. Auch-Kulturtouristen dar: Sie üben nicht nur kulturbezogene, sondern auch zahlreiche andere Urlaubsaktivitäten aus und besitzen somit unterschiedliche Motive. Die Erwartungshaltung beinhaltet dabei ein breites Angebotsspektrum mit Auswahlmöglichkeiten, die flexibel und kurzfristig buchbar sind. Die Besichtigungs- bzw. Auch-Kulturtouristen stellen ca. 90 % der kulturtouristischen Nachfrage dar. Insgesamt muss für beide Anspruchsgruppen das Zeit- und Geldbudget bei der Angebotsgestaltung berücksichtigt werden. Insbesondere die Preissensibilität sowie das Anspruchsdenken sind gestiegen und die Urlaubsdauer hat sich im Durchschnitt verkürzt (z.B. Städtereisen für 1 – 3 Tage liegen derzeit im Trend). So ist der kulturell interessierte Tourist gezwungen, Orte und Sehenswürdigkeiten auszuwählen. Im Kulturtourismus steigt damit die Notwendigkeit, kulturelle Angebote mit anderen touristischen Attraktionen zu verknüpfen. Dies muss entsprechende Berücksichtigung in der Vermarktung finden.
4. Konsequenzen für das Marketing von Kulturbetrieben
Die geschilderten Gegebenheiten auf dem kulturtouristischen Markt müssen vom Kulturbetrieb erkannt und in seiner strategischen Planung Beachtung finden. Wichtige Aspekte sind hierbei die steigenden Erwartungen der Besucher und die weitere Verschärfung der Konkurrenzsituation im Kulturtourismus. Konsequenzen hat dies auch für die Zielsetzungen einer Einrichtung insgesamt: Die Profilierung als klassischer Kulturbetrieb ist nicht ausreichend, wenn er sich auf dem kulturtouristischen Markt etablieren möchte. Vielmehr muss eine enge Zusammenarbeit mit weiteren kulturtouristischen (z.B. andere Kultureinrichtungen) und touristischen (z.B. Reiseveranstalter, lokale und regionale Unternehmen) Leistungsträgern erfolgen. Mittels der folgenden Instrumente kann jeder Kulturbetrieb den eigenen Handlungsspielraum bestimmen, um künftige Entwicklungen und daraus resultierende Erfordernisse realistisch abschätzen und strategisch planen zu können:
- Situationsanalyse (Ressourcen-, Zielgruppen-, Wettbewerber-, Kooperationspartner-Analyse)
- Zielsetzung und Positionierungsentscheidung
- Strategieentscheidung (z.B. Marktsegmentierung, Branding, Besucherbindung, Kooperation) und Maßnahmenauswahl der Instrumente (Marketing-Mix)
- Umsetzung der Maßnahmen im Marketing-Mix (zu Produkt und Leistungs-, Preis-, Distributions und Kommunikationspolitik)
- Controlling
Zusammenfassend gilt es für die kulturtouristische Leistungserstellung differenzierte Urlaubsmotive, höhere Qualitätsansprüche, kürzere Reisedauer und neue Zielgruppengewichtung zu berücksichtigen. An Bedeutung gewinnen vor allem kontinuierliches Qualitätsmanagement, regelmäßige Besucherforschung
und die Kooperation mit touristischen Leistungsträgern.