Künstliche Intelligenz, die denkende und lernende Maschine, gehört wie vormals die Dampfmaschine oder das Internet, zu den revolutionären Erfindungen unserer Zeit, die vor ihrer Realisation bereits die Sciene fiction-Literatur in Geschichten zwischen Untergangsphantasmagorien und Menschverbesserungsutopien beschäftigte. Seit Jahren begegnet uns mittlerweile die KI in vielen Bereichen des täglichen Lebens – häufig, ohne dabei von den Menschen aktiv wahrgenommen zu werden.
Welche Rolle kann und soll KI in der Kunst spielen, welche im Kulturbetrieb? Wo liegen Chancen und wo technische Grenzen, wo Grenzen, die der Mensch bewusst setzen will? Wo liegen die Räume, die maschinellen Anwendungen zugewiesen werden sollten, und wie groß sollen sie sein, um der Kunst, der Kulturvermittlung und dem Kulturbetrieb optimal zu nutzen und diese Bereiche zukunftsfähig zu bereichern? Kunst entsteht in ihrer Wesenheit aus menschlicher Kreativität, aus Individualität, aus unvorhersehbaren Einfällen und Entscheidungen. Bisher scheint gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass sie nicht allein von Maschinen generiert oder beispielsweise von einem künstlichen Künstler aufgeführt werden kann, um dieser Wesenheit zu genügen. Doch die Möglichkeiten, Künstlerisches und die Künstliche Intelligenz kreativ und gewinnbringend zusammenzuführen, sind im Gedankenexperiment ein unendlich weites und offenes Spielfeld.
Vieles geht technisch noch nicht, wird aber möglich sein, wenn man sich aktiv für eine Entwicklung entscheidet und investiert, anderes wird gar nicht erst entwickelt werden, weil es nur Ersatz für den Menschen und nicht Erweiterung des Spektrums bedeuten würde. Es lohnt den neugierigen und selbstbewussten Blick ohne Scheuklappen, der nach dem Mehrwert Ausschau hält und nicht in die Falle geht, die Bewahrung kultureller Werte zum Feind der Neugier zu machen, die der Kunst selbst fremd ist.
Begonnen mit der Entwicklung des ersten computergenerierten Streichquartetts in den 1950er-Jahren hat der Mensch mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz auch in der Musikbranche Möglichkeiten ausgelotet,, die weit über reine Datenverarbeitungs- oder Analyseleistungen hinausgehen. Mit den richtigen Informationen gefüttert, können KI-Modelle problemlos den Stil eines bestimmten Komponisten imitieren – sobald das Modell wiederkehrende Muster erkannt hat, beginnt es eigenständig, neue Verbindungen zu schaffen: Schuberts „Unvollendete“ wird vollendet, Beethovens „Zehnte“ wird auf Basis der vorangegangenen Sinfonien und weniger überlieferter Skizzen neu erschaffen.
Auch im Bereich der musikalischen Ausbildung und Vermittlung werden Künstliche-Intelligenz-Modelle vermehrt getestet. Durch spezielle Handschuhe, Ganzkörperanzüge, Klavierhocker oder gar Instrumente selbst können nicht nur exakte Analysen von Spielweise oder Körperhaltung erfolgen, sondern mit motorischen Impulsen Reaktionen ausgelöst und Bewegungsabläufe angestoßen werden. Gleichzeitig ermöglichen Anwendungen wie appbasierte Composing-Tools am Smartphone einen niederschwelligen Zugang zu musikalischer Vermittlung; mit wenigen Klicks wird jede:r Nutzer:in zum Tonschöpfenden. Wer nicht selbst wirksam werden möchte, kann mit adaptiven Musikmodellen jederzeit die zu Stimmung und Umgebung passende Musik genießen – in Echtzeit von einer Maschine komponiert.
Anwendungen wie diese verändern nicht nur den individuellen Zugang zur Musik, sondern können das gesamte etablierte „System Klassik“ bewegen. Was mit der Ausbreitung des Internets begonnen hat, tut mit KI-Anwendungen einen weiteren Schritt: Der Demokratisierung von Wissen folgt eine Demokratisierung von Fertigkeiten. Auf welchen Feldern dies der Kunst dient und dem Betrieb helfen kann, diesem eine weitere Dimension für die Menschen von heute hinzuzufügen, ist Gegenstand unserer aufgeschlossenen wie reflektierenden Befassung.