Erfolgreiches Management kultureller Bildungsarbeit.
Guido Froese, Akademieleiter und Geschäftsführer des Nordkolleg Rendsburg – Akademie für kulturelle Bildung, im Interview mit Causales
Das Nordkolleg Rendsburg ist als Akademie für kulturelle Bildung weit über die Landesgrenzen hinaus als ein Ort der Vernetzungskompetenz, der Entwicklung und Verwirklichung bekannt. Es greift kulturelle Impulse auf und beteiligt sich am kulturellen Diskurs zur kulturellen Bildung in Schleswig-Holstein. Mehr als 21.000 Teilnehmer aus Deutschland, Skandinavien und anderen Staaten dieser Welt besuchen jährlich die Seminare und Veranstaltungen.
www.nordkolleg.de
Neben den beiden Hauptgesellschaftern Kreis Rendsburg-Eckernförde und der Stadt Rendsburg sind mehr als ein Dutzend Wirtschaftsunternehmen sowie Vereine und Stiftungen als Gesellschafter an der gemeinnützigen Nordkolleg Rendsburg GmbH beteiligt. Dadurch konnten Sie Ihr Gesellschaftskapital seit dem Jahr 2011 von 34.800 Euro bis Mitte 2012 auf 151.000 Euro aufstocken. Was haben Sie bereits mit diesem Kapital umgesetzt und welche Vorhaben werden Sie noch realisieren?
Das Nordkolleg hat vor gut 20 Jahren seine Rechtsform von einem e.V. in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt, da diese Rechtsform für die wirtschaftlichen Be - reiche unserer Einrichtung praktikabler ist. Eine Kapitalerhöhung war angesichts eines inzwischen auf 2 Mio. Euro angestiegenen Umsatzvolumens längst überfällig aber in den letzten Jahren nicht umsetzbar. Schließlich ist das Nordkolleg ja gemeinnützig und unterliegt daher entsprechenden Regeln. Die Kapitalerhöhung nutzen wir einerseits für den investiven Bereich. Hier gibt es ständig Maßnahmen zur Gebäudeerhaltung und -pflege und z.T. auch für den Ausbau. Andererseits stützen wir mit den jährlichen Zuwendungen der Gesellschafter auch das operative Geschäft.
Welchen Nutzen haben die Gesellschafter von ihrer Beteiligung und wie viel Mitbestimmungsrecht haben Ihre unterschiedlichen Gesellschafter?
Zunächst einmal: „Gewinnausschüttungen“ sind wegen der Gemeinnützigkeit des Nordkollegs natürlich rein ideell. Die Beteiligung am Nordkolleg ist für unsere Gesellschafter in erster Linie ein Bekenntnis zur kulturellen Bildung. Das ist unser Thema, unsere Mission. Hierbei kooperieren wir eng mit vielen unserer Gesellschafter. Aber auch die Gesellschafter untereinander bilden inzwischen schon so etwas wie ein Netzwerk und agieren und kooperieren untereinander. Die Kombination aus Verwaltung, Wirtschaft und gemeinnützigem Bereich bildet eine interessante Grundlage für vielfältige Aktivitäten.
Aus dem Gesellschafterkreis wird ein Aufsichtsrat bestellt, der für die strategischen Entscheidungen zuständig ist. Der Grad der Mitbestimmung der Gesellschafter misst sich formal an der Höhe der Einlage. Faktisch aber ist jeder Gesellschafter unabhängig von der Höhe der Beteiligung in der Gesellschafterversammlung vertreten und kann sich dort einbringen. Übrigens sind in den letzten fünf Jahren alle Entscheidungen immer einstimmig getroffen worden. Das zeigt, wie sehr die Gesellschafter auch hinter unserer Einrichtung und dem von uns eingeschlagenen Weg stehen.
Sie arbeiten gerade an einem besonderen „Bauprojekt“: der Errichtung einer Gemeinschafts-Stiftung für kulturelle Bildung in Schleswig-Holstein. Was haben Sie bisher erreicht und welche Meilensteine stehen Ihnen noch bevor?
Der Stiftungsfonds, den wir initiiert haben, ist ein Versuch, dauerhaft eine ergänzende Förderquelle für inhaltliche Vorhaben zu erschließen. In den kommenden Jahren wollen wir durch das Sammeln kleinerer bis mittlerer Zustiftungsbeträge einen Kapitalstock entstehen lassen, dessen Zinserlöse dann für bestimmte Bildungsmaßnahmen genutzt werden können. Wir sind mit dem bisherigen Verlauf nicht unzufrieden, der Weg ist aber noch lang – dafür braucht man einen langen Atem. Die Wurzeln unserer Einrichtung reichen 170 Jahre zurück. Wir können also durchaus Vorhaben anschieben, die mitunter auch erst in vielen Jahren eine signifikante Wirkung haben. Insgesamt darf man heute als Kultureinrichtung eigentlich keinen Weg unversucht lassen, um seine Ziele zu erreichen.
Auch Sponsoring gehört zu den Wegen, die Sie versuchen. Welche Erfolge konnten Sie hier bereits erzielen?
Wir haben seit ein paar Jahren eine Partnerschaft mit den Stadtwerken Rendsburg. Diese bezieht sich naheliegend auf das Thema „Energie“. Wir bezogen schon vor der Energiewende Strom aus regenerativer Erzeugung und kommunizieren das hier auch. Die Stadtwerke sind unser Premiumpartner bei allen Veranstaltungen, die sich auf unseren Garten beziehen. Wir freuen uns über die Beständigkeit dieser Sponsoring- Kooperation mit den Stadtwerken Rendsburg.
Sie führen seit dem Jahr 2007 das Nordkolleg Rendsburg als Geschäftsführer und Akademieleiter. Wie sah damals die Ausgangslage aus?
Das Nordkolleg war angesichts einer verzehrten Rücklage und eines operativen wie strukturellen Defizits in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, die leider auch noch öffentlichkeitswirksam diskutiert wurde. Das führte unweigerlich auch zu einer Unsicherheit bei den Mitarbeitern. Die ersten Aufgaben waren daher, das Vertrauen in die Einrichtung außen wie innen wieder herzustellen, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und durch inhaltliche Strategien neue Felder zu erschließen. Das ist uns in einer gemeinschaftlichen Anstrengung von Mitarbeitern, Aufsichtsrat, Gesellschaftern und Geschäftsführung ganz gut gelungen.
Wie sichern Sie das Qualitätsmanagement an Ihrem Haus?
Hier verfolgen wir in einem abgestuften Prozess verschiedene Ziele. Aus der Sicht unserer Kunden, die wir Gäste nennen, hat neben der Qualität der Inhalte der Service einen besonderen Stellenwert. Daher widmen wir uns intensiv dem Thema Servicequalität und sind vor vier Jahren als erste Bildungseinrichtung in Schleswig-Holstein mit dem Gütesiegel „ServiceQualität Deutschland“ ausgezeichnet worden. Inzwischen sind wir auch rezertifiziert und setzen in diesem prozessorientierten Zertifizierungsverfahren jährlich neue Maßnahmen um.
Darüber hinaus haben wir das Zertifikat „Qualitätsmanagement Kinder- und Jugendreisen“ erfolgreich erhalten. Zwar sind Kinder und Jugendliche nur eine unserer Zielgruppen, dafür werden dort aber die strengsten Maßstäbe angelegt. So haben wir uns unter allen Aspekten, ob Brandschutz, Jugendschutz, Arbeitssicherheit, Versicherungsschutz, Hygienestandards etc., auf Herz und Nieren prüfen lassen. On Top haben wir für die Ausstattung unseres Hauses in diesem Verfahren fünf Sterne erhalten, was bis dahin nur einer Handvoll weiterer Jugendbildungsstätten in Deutschland gelungen war. Ein Ergebnis ist, dass wir zunehmend junge Menschen, z.B. aus Jugendorchestern und -akademien, zu Gast haben.
Was haben Sie bisher für messbare Erfolge erzielen können?
Messbar sind die zahlenmäßigen Ergebnisse der letzten Jahre und deren Entwicklung. Unseren Gesamtumsatz konnten wir seit 2007, also innerhalb von fünf Jahren um 50% von 1,3 Mio Euro auf 2 Mio Euro steigern. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Übernachtungen um 40%, die Zahl der Teilnehmertage um 25% und die Zahl der Veranstaltungen um 60%. Klingt toll, ist auch toll, aber man ahnt sicher, mit welcher Energie das verbunden ist und natürlich erreichen wir in absehbarer Zeit da auch die Grenzen unserer Möglichkeiten. Kulturelle Bildung und Weiterbildung, insbesondere im Bereich der Jugend, kann nicht wirtschaftlich betrieben werden, daher sind wir weiterhin auf öffentliche Förderung angewiesen und auch auf das Bekenntnis zur kulturellen Bildung. Ebenso wie über die messbaren Ergebnisse freue ich mich aber über die positive Grundstimmung, wenn es um das Nordkolleg geht. Hier haben wir uns einen sehr guten Ruf erarbeitet, der über die Landesgrenzen hinaus reicht.
Welche Ziele haben Sie und Ihre Mitarbeiter sich für die Zukunft gesetzt?
Einerseits müssen wir das Erreichte mehr denn je verteidigen. Trotz Gemeinnützigkeit werden z.B. die Umsatzsteuerregelungen stetig nachteiliger. Das EU-Beihilferecht baut riesige Hürden für die öffentliche Förderung auf. Die GEZ verlangt plötzlich Gebühren auf Gästezimmer, in denen aber keine Fernseher stehen. Das sind unsere derzeitigen Baustellen. Aber natürlich denken wir auch nach vorne und haben klare Visionen davon, in welche Richtung sich das Nordkolleg als Akademie für kulturelle Bildung mit seinen vier Fachbereichen, als Tagungshaus oder als Haus der Kultur/-verbände entwickeln soll. Und das ist das Wunderbare an dieser Aufgabe!
In März 2012 fand die Ad-hoc-Konferenz BarCamp mit ca. 60 Kulturschaffenden, Unternehmern, Künstlern, Stadtentwicklern, Kreativen im Nordkolleg zum zweiten Mal statt. Bitte erläutern Sie das Konferenzkonzept und die Weiterentwicklung.
Die BarCamp-Philosophie ist simpel: Auf BarCamps geht es darum, Wissen zu teilen, Ideen zu generieren und Lösungsansätze zu entwickeln und zwar durch die Mitgestaltung aller. Jeder Teilnehmer kann adhoc selbst zum Akteur einer Session werden und entweder die Veranstaltung mit seiner Expertise bereichern oder eine Session zu einem Thema einfordern. BarCamps sind spontane Ideen- und Mitmachkonferenzen für Netzwerker, Kreative, Suchende und Wissende. Sie funktionieren gegenläufig zu gewöhnlichen Tagungen. Was zunächst chaotisch klingt, ist erfrischend eigendynamisch, interaktiv und eignet sich hervorragend zum Netzwerken. Traditionell behandeln BarCamps Themen aus der IT- Szene. Mittlerweile gibt es jedoch auch viele themenspezifische BarCamps. Wir haben bereits zwei zum Thema »Kultur kreativ finanzieren!« und zwei zum Thema »Dialog: KulturWirtschaft« organisiert. Bei letzterem geht es uns um den Dialog der Disziplinen Kultur, Wirtschaft und Kulturund Kreativwirtschaft. Mit Hilfe des Bar- Camps sprechen diese oft unterschiedlich funktionierenden Sektoren miteinander anstatt übereinander. Mit dem BarCamp möchten wir starke Netzwerke zwischen diesen Partnern ermöglichen und innovative Projektideen generieren, die unsere Region nachhaltig stärken.
Was bewirkt das Nordkolleg Rendsburg in der Vermittlung zwischen Kultur und Wirtschaft in Schleswig-Holstein?
Hinter unserer Arbeit steht die Überzeugung, dass Kultur und Wirtschaft starke Partner sein können, wenn sie gemeinsam agieren. Der interdisziplinäre Wissenstransfer erfordert zwischen den Disziplinen zu dolmetschen, zu vermitteln und Vorurteile und Barrieren abzubauen. Kultur und Wirtschaft sprechen tatsächlich oft verschiedene Sprachen und reden daher manchmal aneinander vorbei. Außerdem ist die Ansicht, dass nur Wirtschaft Kultur fördern kann in unseren Augen eine Einbahnstraße. Auch Kultur kann Wirtschaft fördern, zum Beispiel durch sogenannte künstlerische Interventionen in Unternehmen. Diese Ansätze verbreitet der Fachbereich KulturWirtschaft am Nordkolleg in Schleswig-Holstein. Interdisziplinäre BarCamps sowie unsere Schnittstellen - arbeit sind bei der Ideenfindung für der - artige Kooperationsformen sehr hilfreich.
An welche Kooperationsformen denken Sie?
Kultur und Wirtschaft beginnt für uns da, wo sich beide durch ihre Unterschiedlichkeit bereichern. Es ist wenig hilfreich, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. So genannte »künstlerische Interventionen in Unternehmen« könnten beispielsweise Ansätze für aktuelle unternehmerische »Baustellen« liefern. Wenn zwei so unterschiedliche Bereiche aufeinander treffen kann das zu »positiven Irritationen« führen.
Für die Künstler und Kreativen im Bereich Kulturmanagement und für die Unternehmen beispielsweise in den Bereichen Personalentwicklung, Unternehmenskommunikation oder Mitarbeiterbindung. In gemeinsamen Prozessen, wie beispielsweise einem Theaterworkshop für Auszubildende, einem Baggerballett, Businessdrama, Konzerten aus Produktionsgeräuschen oder Fotoworkshops mit Fließbandmitarbeitern und Ingenieuren wird versucht, etablierte Routinen und tradierte Sichtweisen sowie Betriebsblindheit aufzubrechen, und flexibles Querdenken im Unternehmen zu fördern.
Vielen Dank für das Interview, Herr Froese.