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Interview

Kulturförderung aus Sicht der Kulturpolitik - Interview mit Prof. Dr. jur. Oliver Scheytt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Lieber Herr Prof. Dr. Scheytt, als Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft gestalten Sie seit 18 Jahren aktiv die Kulturpolitik in Deutschland mit. Darüber hinaus waren Sie Initiator und Geschäftsführer vom Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 und damit einer der wichtigsten Impulsgeber für Strukturwandel und kulturtouristische Vermarktungsprozesse und sind ein gefragter Kulturexperte in Europa. Eine der Hauptaufgaben der Kulturpolitik ist die Kulturförderung. Welche Kräfte wirken hier innerhalb des oft zitierten trisektoralen Modells?

Die öffentliche Kulturförderung steht in einem intensiven Wechselverhältnis mit den Institutionen und Akteuren in den beiden anderen Sektoren. Dabei stehen der öffentlichen Hand nicht nur die Instrumente der Trägerschaft von Kultureinrichtungen oder die finanzielle Unterstützung von Institutionen und Aktionen zur Verfügung, sondern sie kann auch im Rahmen der „kulturellen Ordnungspolitik“ Recht setzen, das kulturfreundliche Wirkungen entfaltet: Als Beispiele seien nur die Steuergesetzgebung zur Gemeinnützigkeit, das Urheberrecht oder die Buchpreisbindung genannt. So werden also durch den Staat wesentliche Rahmenbedingungen für die Kulturwirtschaft und das zivilgesellschaftliche und mäzenatische Kulturengagement gestaltet. Da die kulturelle Infrastruktur in Deutschland aber beileibe nicht allein von Bund, Ländern und Kommunen getragen wird, sondern ganz wesentlich auch von Vereinen, Stiftungen, Privatinitiativen sowie den Betrieben und Kreativen in der Kultur- und Kreativwirtschaft, plädiere ich für eine „aktivierende Kulturpolitik“, die auf das Zusammenwirken und die Wechselbeziehungen der Akteure in allen drei Sektoren setzt. Es ist sinnvoll, die vorhandenen Kräfte und Potentiale, wo es Sinn macht, in Verantwortungspartnerschaften zusammenzubringen und sich die Aufgaben so zu teilen, dass eine möglichst starke Wirkung erzielt wird. Dabei geht es weniger um Synergieeffekte oder eine „Vereinheitlichung“ der Angebote als vielmehr um eine Stärkung der kulturellen Vielfalt. So ist es etwa in der Metropole Ruhr in Nachfolge der RUHR.2010 gelungen, verschiedenste Akteure aus allen Sektoren in dem Programm „Urbane Künste Ruhr“ zu einer kreativen Allianz zusammenzubringen. Diese setzen sich über mehrere Jahre mit den Spezifika dieser Städteagglomeration in postindustriellen Zeiten und Räumen auseinander, bringen die unterschiedlichsten künstlerischen Produktionen hervor und kreieren innovative kulturelle Angebote. Der Regionalverband Ruhr sowie die 53 Städten der Metropole Ruhr setzen so gemeinsam mit dem Land und der Trägergesellschaft Kultur Ruhr GmbH den Gedanken der „aktivierenden Kulturpolitik“ kontinuierlich in konkretes Handeln um.

Neben der öffentlichen Kulturfinanzierung, die in Deutschland durch Bund, Länder und Gemeinden bei rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr liegt, gehen immer mehr Kulturanbieter zusätzliche Partnerschaften mit Wirtschaftsunternehmen ein. Welche kulturpolitischen Rahmenbedingungen können geschaffen werden, um die unternehmerische Kulturförderung in Zukunft noch erfolgreicher zu stimulieren?

Glücklicherweise hat sich im Umgang zwischen öffentlichen Kulturinstitutionen und privaten Wirtschaftsunternehmen „Entspannung“ und „Professionalität“ eingestellt. Mittlerweile ist allen Beteiligten klar, dass es beim Kultursponsoring um ein „Geschäft“ geht, das der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ folgt und den Imagetransfer zum Gegenstand hat. Kultureinrichtungen sind in der Lage Bühnen zu bauen, von denen andere nur träumen können. Das macht sie attraktiv für derartige Geschäfte und dessen sollten sie sich auch bewusst sein, sonst lassen sie Potentiale brach liegen. Wie bei guten Partnerschaften üblich, sollten sich die Beteiligten gut verstehen und verständigen können. Daher sollte insgesamt ein „sponsorenfreundliches Klima“ geschaffen werden, in dem die Kultureinrichtung auch das Recht (und manchmal sogar die Pflicht) hat, „Nein“ zu einem unpassenden Angebot oder einer unangemessenen Forderung von Gegenleistungen zusagen. Politik darf ihrerseits die Zusage von Sponsorenmitteln nicht zum Anlass nehmen, sich aus der eigenen Verantwortung zu verabschieden, also durch Drittmittelakquise eigene Einsparungen zu ersetzen. Das kommt nicht gut und demotiviert Kulturakteure und Kultursponsoren gleichermaßen.

Sponsoringeinnahmen gewinnen im Finan zierungs-Mix der Kulturanbieter immer mehr an Bedeutung. Doch viele Kulturanbie ter sind durch die Öffentliche Hand „fehlbetragsfinanziert“ und müssen die mühevoll erwirtschafteten Beträge oft wieder abgeben. Wäre es nicht zeitgemäß, aus einer „Fehlbetragsfinanzierung“ eine „Festbetragsfinanzierung“ zu machen?

Dies ist eine Forderung, die schon seit Jahrzehnten gestellt wird. Wie eben schon ausgeführt, ist eine Fehlbetragsfinanzierung letztlich „sponsorenschädlich“. Manchmal frage ich mich, ob ich noch erleben werde, dass das Zuwendungsrecht an diesem Punkt noch geändert wird. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, denn gerade für die privaten Kulturinitiativen, die hier betroffen sind, wäre das eine konstitutive Hilfe.

Gibt es Erfolgsmodelle in den europäischen Nachbarländern, wie zum Beispiel entsprechende Steuervergünstigungen für Sponsoringgeber und Sponsoringnehmer, die die Bundesrepublik Deutschland übernehmen könnte?

Mit dem Steuerrecht der europäischen Länder kenne ich mich kaum aus. Es fällt mir – ehrlich gesagt – schon recht schwer, meine Kenntnisse zur Kultursteuerrecht in Deutschland à jour zu halten. Für interessant halte ich Kulturfördermodelle anderer europäischer Länder wie den Niederlanden oder Frankreich, die freien Gruppen eine komplette Infrastruktur für die Kunstproduktion zur Verfügung stellen, damit diese dort qualifiziert arbeiten und dafür dann Drittmittel akquirieren können. Auch die Sponsoringmodelle mancher Europäischer Kulturhauptstadt sind modellhaft: Sie setzen auf einen Mix von Pool- und Projektsponsoring, Finanz- und Sachsponsoring sowie Medienpartnerschaften, woraus sich eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für das Engagement von Unternehmen ergibt.

Sind marktorientierte Begriffe wie Kulturmarke, Kulturanbieter und Kulturinvestor Belege für die Existenz eines Kulturmarktes zwischen Kultur und Wirtschaft, in dem Marktmechanismen wie Angebot und Nachfrage wirken und wie wird sich dieser Kulturmarkt bis zum Jahr 2025 entwickeln?

Kunst und Kultur haben immer schon einen Doppelcharakter gehabt, auch zu Zeiten von Shakespeare, Bach oder van Gogh, einerseits handelt es sich um ein „öffentliches Gut“ andererseits um ein „kommerzielles Produkt“. Wir sollten indes unbedingt Acht darauf geben, dass in dem sich verbreitenden „mentalen Kapitalismus“ Kunst und Kultur nicht immer mehr zur reinen Ware verkommen. Die digitale Kommunikation wird zunehmend von wenigen Monopolisten beherrscht, die ihren Profit damit machen, dass kreative Leistungen, vor allem Bilder, Filme und Musik, als „Digitalisat“ ubiquitär verfügbar sind, aber vorrangig über die Kanäle verbreitet werden, die von diesen beherrschenden Internet-Firmen angeboten werden. Es kann dabei nicht um Protektionismus gehen, im Übrigen ist der Zug der globalen Regulierung angesichts der digitalen Freiheiten längst abgefahren. Vielmehr sollten wir sensibel dafür sein, dass unsere eigene kulturelle Identität und das eigene kreative Potential gestärkt werden und wir diese nicht dem „Freihandel“ überlassen. Umso wichtiger ist daher die Förderung der „analogen“, unmittelbar erlebbaren Kunst und Kultur auch als Gegengewicht zu den virtuellen Welten. Wenn Kulturmarken darauf setzen, können sie dauerhaft Stärke entwickeln.

Herzlichen Dank für das Interview, Herr Prof. Dr. Scheytt.

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