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Yeboaa Ofosu, Projektleiterin Literatur, Direktion Kultur und Soziales, Migros-Genossenschafts-Bund. © Gian Losinger

Best Practice

Zeitgemässe Literaturförderung von Migros

Nach eingehender Analyse hat das Migros-Kulturprozent seine Literaturförderung 2015 neu aufgestellt. Ziel der Neuausrichtung sind Förderinstrumente, die dem tatsächlichen Bedürfnis der Szene entsprechen.

Ein grosser Vorteil des Migros-Kulturprozent, des grössten privaten Kulturförderers der Schweiz, ist seine Flexibilität. Im Gegensatz zu staatlichen Förderinstitutionen kann das Migros-Kulturprozent sein Angebot schnell und unkompliziert anpassen. Ein Feld, in dem dieser Unterschied besonders gut sichtbar wird, ist die Literaturförderung. Hier hat das Migros-Kulturprozent seine Fördermassnahmen komplett neu ausgerichtet, um den aktuellen Bedürfnissen der Autorinnen und Autoren besser zu entsprechen.

Denn nicht alle Förderinstrumente, die heute existieren, sind bei den Schreibenden wirklich gefragt. Ein typisches Beispiel für eine wenig beliebte Form der Förderung sind Auslandsstipendien, meint Yeboaa Ofosu, die seit 2015 die Literaturförderung des Migros-Kulturprozent leitet. Ofosu erhielt ursprünglich den Auftrag, die Schweizer Förderungslandschaft im Bereich Literatur zu analysieren und Bedürfnisse zu eruieren. «Was ich in meinen Gesprächen am häufigsten hörte, war die Bitte, endlich mit den Auslandsstipendien aufzuhören.» Diese weit verbreitete Form der Unterstützung sei allenfalls bei Jungen beliebt, für Autorinnen und Autoren, die neben dem Schreiben aber noch einem Teilzeitjob nachgehen oder Kinder haben, sei die Aussicht, für ein paar Monate nach Kairo oder Paris zu ziehen, aber alles andere als attraktiv.

Das Migros-Kulturprozent kann natürlich nicht alle Wünsche befriedigen. Erklärtes Ziel ist es, dort aktiv zu sein, wo ein Bedürfnis besteht, die öffentliche Hand aber (noch) nicht tätig ist. Auf der Basis ihres Berichts hat Ofosu vier Gefässe definiert, die nun die Literaturförderung des Migros-Kulturprozent bilden.

Entgegen einem weit verbreiteten Klischee ist der geniale Autor, der im stillen Kämmerlein darauf wartet, von der Inspiration heimgesucht zu werden, ein Ausnahmefall. Für die promovierte Literaturwissenschaftlerin Ofosu steht vielmehr fest, dass Literatur im Austausch entsteht – nicht zuletzt im Gespräch mit anderen Autoren. An diesem Punkt setzt denn auch ihr ambitioniertestes Projekt an, die dreisprachige Literaturplattform «double». Bei diesem Mentoratsprogramm können sich professionelle Autoren von erfolgreichen Kollegen coachen lassen. Als Mentoren stehen gestandene Grössen der Schweizer Literatur wie Ruth Schweikert, Raphael Urweider oder Noëlle Revaz bereit. Die Unterstützung beschränkt sich dabei keineswegs nur auf die Arbeit am Text, sondern kann auch praktische Belange des Autorenhandwerks wie etwa die Wahl des Verlags oder rechtliche Fragen umfassen. Das interessierte Publikum kann an diesem Prozess ebenfalls teilhaben: Die fertigen Texte werden am Ende auf www.double-literaturplattform.ch veröffentlicht.

«double» richtet sich an Autoren, die ihr Handwerk bereits mehr oder weniger professionell betreiben, die also nicht mehr ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Primär als Unterstützung des Nachwuchses ist dagegen «Literaturzeitschriften fördern» gedacht. Hier stehen Zeitschriften im Vordergrund, die sich der Lyrik und experimentellen Formen widmen und die es am Markt entsprechend schwer haben. Zeitschriftenförderung ist allerdings ein Bereich, in dem die öffentliche Hand bereits aktiv ist. Für Hedy Graber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund, stellt das aber kein Problem dar: «Wir arbeiten klar ergänzend. Aber wo sich Möglichkeiten ergeben, suchen wir die Zusammenarbeit.» Literaturzeitschriften stellen einen derartigen Nischenmarkt dar, da ohnehin jede Form von Förderung sinnvoll und nötig ist.

Um Literaturgattungen jenseits der Belletristik geht es auch bei «Lyrik und Spoken!». Der Fokus dieses Gefässes liegt neben der Unterstützung von Lyrikprojekten vor allem auf Veranstaltungen und Herausgaben von Spoken Word. Beim Migros-Kulturprozent ist man durchaus stolz darauf, dass man in diesem Bereich schon früh aktiv war – zu einem Zeitpunkt, als es sonst kaum Unterstützung für Poetry Slams und ähnliche Veranstaltungen gab. Mittlerweile hat sich das allerdings geändert, zumal das Genre auch beim Publikum beliebt ist.

Während bei den übrigen Fördermassnahmen die Gegenwart im Fokus steht, richtet «Schätze heben» den Blick in die Vergangenheit. Bei dieser Herausgeberförderung geht es darum, wertvolle Textsammlungen, Korrespondenzen oder Nachlässe wieder verfügbar zu machen. 2015 etwa erhielten Christa Baumberger und Nicola Behrmann 20’000 Franken für die Arbeit an ihrem Buch «Emmy Hennings Dada», in dem erstmals Hennings’ Gedichte und Prosatexte sowie zahlreiche Fotografien zugänglich gemacht werden. Ein im Dada-Jubiläumsjahr 2016 sehr aktuelles Projekt, das ohne Förderung aber kaum zustande gekommen wäre.

Im Rahmen seiner 2015 neu konzipierten Literaturförderung vergab das Migros-Kulturprozent erstmals die Herausgeberförderung «Schätze heben» an die Herausgeberinnen Christa Baumberger und Nicola Behrmann für ihre Arbeit am Buch «Emmy Hennings Dada».

Jahrbuch: 2017