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Neue Zugänge, neue Publikumskreise: Auf Tour mit #letsmuseeum im Bernischen Historischen Museum. © John Patrick Walder

Best Practice

Migros-Genossenschafts-Bund «Wir rütteln respektvoll am Sockel»

Förderfonds Engagement Migros

Seit 2012 ermöglicht der Förderfonds Engagement Migros Pionierprojekte im gesellschaftlichen Wandel. Er setzt damit starke und mutige Impulse, gerade auch in der Schweizer Museumslandschaft. Dem Retailer Migros ist es nicht nur gelungen, neben dem Kulturprozent ein zweites starkes Förderinstrument zu lancieren, sondern auch eine präzise Antwort auf die Bedürfnisse von Pionierprojekten zu formulieren.

Die Ziele von Pionieren sind meist klar, doch ihre Wege führen ins Neuland – das ist keine einfache Ausgangslage. Mit Engagement Migros, dem Förderfonds der Migros-Gruppe, hat sich der Schweizer Einzelhändler aber genau diesen Projekttyp vorgeknöpft. Warum? «Gerade Pioniere brauchen Unterstützung, denn ihr Mut und ihre Ambition bringen unsere Gesellschaft weiter», sagt Hedy Graber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund. Sie verantwortet neben dem nationalen Förderprogramm Migros-Kulturprozent auch den neuen Förderfonds. Die Besonderheit eines Pionierprojekts sei seine Unberechenbarkeit, die viel steilere Lernkurve, so Graber: «Wir begleiten diese Projekte deshalb eng, auf geraden wieauch verschlungenen Pfaden, bei Höhenflügen und Entdeckungen, aber auch bei Umwegen, Irrungen und den harten Landungen, die sich nicht immer vermeiden lassen.» Dass der neue Ansatz ernst gemeint ist, verdeutlichen die Zahlen: Über 40 Mio. Euro hat Engagement Migros seit 2012 in etwa 80 Projekte aus den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Gesundheit investiert.

Altes Haus, neues Publikum

Ein gutes Beispiel für ein solches Pionierprojekt ist das Schweizer Kultur-Start-up #letsmuseeum. Es bringt mit seinen temporeichen Touren Leute in Schweizer Museen, die noch nie dort waren. Dass die Tour von Musiker Luc Oggier mit einer gewöhnlichen Museumsführung wenig gemein hat, wird bei der Teilnahme schnell deutlich: Zehn Menschen drängen sich durch ein eisernes Seitentor des Bernischen Historischen Museums. Sie schleichen den Mauern entlang, von den Dachrinnen tropft der Regen. «Ich habe Ränder schon immer lieber gemocht als den Rest», kommentiert der Musiker Luc Oggier, der Guide der Gruppe, diesen untypischen Gang ins Museum – «auch beim Brot». Es geht bei dieser sehr persönlichen Tour um Randständige, um Grenzen, um das Nichtdazugehören: «Welche Objekte dürfen sich nicht im Museum präsentieren? Und welche schon?» Der Titel von Oggiers Tour: «Rand-Ständig». Sie erzählt von den Verdrängten des Ancien Régime, aber auch von Junkies der 1980er Jahre, vom ersten Kontakt seiner Eltern und von eigenen Kindheitstraumata. Die Tour ist temporeich. Und dies mit Absicht.

«Unsere Touren sollen unterhalten und inspirieren», erklärt Rea Eggli, die Macherin von #letsmuseeum. Eggli ist kein unbeschriebenes Blatt in der Schweizer Kulturszene. Sie war eine der Ersten, die Lesungen in Nachtclubs inszenierten, rief «Märli für Erwachsene» ins Leben und ist Co-Gründerin der Crowdfunding-Plattform wemakeit. Eggli beschäftigt sich seit 17 Jahren mit dem Geschichtenerzählen. Und so soll es dank #letsmuseeum in Schweizer Museen ganz persönliche Geschichten zu hören geben: «Das Unkonventionelle und Neue an diesen Touren ist, dass alle Guides Laien sind. Sie präsentieren ihre Lieblingsobjekte oder Storys, die sie recherchiert haben, unterhaltsam und gespickt mit Persönlichem. Das Museum, durch das sie führen, haben sie selbst gewählt – weil sie ein Faible dafür haben.» Bei einer #letsmuseeum-Tour geht es darum, in der kurzen Zeit möglichst viel zu zeigen. #letsmuseeum funktioniert wie ein Teaser für das Museum – und genau darin liegt der Benefit für die Museen. «Wir zappen mitunter fast zu schnell durch die Sammlung, doch das macht Lust, wiederzukommen und alles in Ruhe anzuschauen. » Dank der Begeisterungsfähigkeit der Guides würden Leute den Weg ins Museum finden, die dort üblicherweise nicht anzutreffen sind. Und die sich vom frischen Wind des Ansatzes begeistern lassen, der zwischendurch pointiert provozieren will, ohne aber den Respekt zu verlieren. Rea Eggli fasst es so zusammen: «Wir rütteln respektvoll am Sockel.»

Ein Netzwerk von Pionieren

Der Ansatz des Förderfonds Engagement Migros hat in der Schweiz bereits erste Wellen geworfen. Denn #letsmuseeum ist nicht das einzige Projekt, mit dem der Förderfonds Neuland betritt. Im Förderschwerpunkt «Museen & Publikum» unterstützt Engagement Migros ein Dutzend weitere Innovationen und Pionierprojekte, die zeitgemässe Museumserfahrungen ermöglichen und neue Publikumskreise für ihre Angebote und Inhalte erschliessen. So hat dank Engagement Migros auch das französische Start-up Museomix in der ganzen Schweiz Fuss gefasst.

Mit «amuze» hilft der Förderfonds einem weiteren Pionierprojekt auf die Beine, das sich ausdrücklich der Generation der Digital Natives widmet, einer für die Museen herausfordernden Zielgruppe. amuze sucht nach optimalen Wegen, um ein jüngeres Publikumssegment anzusprechen. Zusammen mit ausgewählten Museen und Millennials werden Online- und On-Site-Erlebnisse erprobt und eine interessierte Community aufgebaut.

Kopieren ausdrücklich erwünscht

Das Vorgehen von amuze ist unkonventionell: Durch ein iteratives Vorgehen tastet sich das Projekt an die Zielgruppe der Digital Natives heran: Was gut ankommt, wird ausgebaut – was nicht funktioniert, verworfen. Im Austausch mit den Ausstellungs- und Kommunikationsverantwortlichen werden die Erkenntnisse aus diesem Prozess weiterentwickelt und «open source» zugänglich gemacht. Kopieren ist dabei ausdrücklich erlaubt – der Förderfonds Engagement Migros hat diesen Grundsatz zum Prinzip erhoben. Für Hedy Graber ist klar, dass Pionierprojekte besonders als Modelle wertvoll sind: «Unsere Pionierprojekte leben eine offene Fehlerkultur, sie dokumentieren ihre Erkenntnisse und teilen ihre Erfahrungen offen – im Erfolg genauso wie im Scheitern.» Die Migros geht mit ihrem neuen Förderinstrument damit bewusst ein hohes Risiko ein. Mit Erfolg, so Graber, denn so richtig auf die Nase gefallen sei man mit Engagement Migros bisher noch nie.

Garant für diese Erfolgsquote ist eine sorgfältige Begleitung der Projekte, so auch bei der Initiierung und Realisierung von #letsmuseeum. Der inhaltliche Austausch mit Engagement Migros sei wegweisend, so Gründerin Rea Eggli. Die Zusammenarbeit mit dem Förderfonds empfand die Kulturunternehmerin als intensiv und hilfreich. «Die geforderte Definition von ambitionierten Halbjahreszielen zwang uns, konkrete und machbare Schritte zu planen.» Auf diese Weise arbeite man fokussierter und merke rascher, ob sich das Projekt in die gewünschte Richtung entwickle. Ebenso hilfreich sei der Blick über den Tellerrand, zu dem Engagement Migros stets einlade: etwa zum New Yorker Vorbild von #letsmuseeum namens Museum Hack, von dem das Schweizer Start-up nicht nur inspiriert, sondern auch beraten wird. Auch Pioniere haben eben Vorbilder.