Noosha Aubel lebt seit 2017 mit ihrer Familie in Potsdam und ist seit August 2017 Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport in der Landeshauptstadt. Im Jahr 2019 hat sie zusätzlich den Bereich Jugend übernommen. Causales hat Noosha Aubel in Potsdam getroffen und sie zum gegenwärtigen Kulturangebot der Gastgeber*innenstadt des 12. KulturInvest! Kongresses und ihren zukünftigen Plänen und Investitionen in die Potsdamer Kultur befragt.
Causales: Unter den ostdeutschen Großstädten hat Potsdam in einem neuen Städteranking am besten abgeschnitten. Die Brandenburger Landeshauptstadt belegt darin beim Thema Lebensqualität bundesweit den ersten Platz vor Regensburg und Ingolstadt. In wie weit prägt das vielfältige Kulturangebot die Lebensqualität und hat zu diesem Erfolg beigetragen?
Noosha Aubel: Potsdam hat im Städteranking gerade in Hinblick auf die Lebensqualität einen großen Sprung nach vorn getan. Ich führe diese Entwicklung auch auf die Wirkung der Potsdamer Kulturlandschaft zurück, die in den letzten Jahren eine große Dynamik entwickelt hat. Neben den Schlössern und Gärten, die traditionell Anziehungspunkte für BürgerInnen und Gäste der Stadt sind, hat sich das Museum Barberini mit seinen spektakulären Ausstellungen in der Historischen Mitte etabliert und es hat sich eine freie Szene angesiedelt, die innovative Impulse in die gesamte Region sendet. Die öffentlich und privat geförderte Kultur trägt wesentlich zum Profil der Stadt bei, zu ihrer Identitätsbildung und ihrer Wahrnehmung nach innen und nach außen. Die Verbindung zeitgenössischen Kunstschaffens mit Gartenbaukunst und architektonischen Sehenswürdigkeiten zieht viele Menschen an und macht Potsdam zu einer sehr lebenswerten Stadt.
Causales: Was macht konkret dieses vielfältige Kulturangebot aus?
Noosha Aubel: Die Welterbestätte „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“ ist eine Kulturlandschaft von internationalem Rang. Diese beinhaltet zum Beispiel die Schlösser und Parks Sanssouci, Babelsberg oder den Neuen Garten, aber auch die „russische Kolonie Alexandrowka“. Die Geschichte der Stadt spiegelt die Vergangenheit Preußens, Deutschlands und Europas seit dem 17. Jahrhundert mit ihrem Reichtum, aber auch ihren Brüchen wider. Die Potsdamer Kultur arbeitet in einem Spannungsfeld von Tradition und Moderne und ist daher Gedächtnisort und gleichzeitig ein Labor für innovative Ideen. Dies trägt zur Nachhaltigkeit bei und zahlt auf die Zukunft ein. Die städtische Kulturlandschaft ist eine Mischung aus freien Trägern wie der fabrik Potsdam, die für zeitgenössischen Tanz steht, oder dem t-Werk mit seiner genreübergreifenden Arbeit, dem weit über die urbanen Grenzen hinaus bekannten soziokulturellem Zentrum Waschhaus und eher klassisch angelegten Institutionen wie dem städtischen Konzerthaus Nikolaisaal und den international erfolgreichen Musikfestspielen Potsdam Sanssouci. Potsdam ist eine Stadt des Films und seit 31. Oktober 2019 die erste deutsche UNESCO Creative City of Film. Das Atelierhaus Rechenzentrum wird von mehr als 300 Kreativen genutzt und stellt neben dem hohen künstlerischen Output, auch einen Wirtschaftsfaktor dar. Die Kultur- und Kreativwirtschaft erzielt ja mittlerweile bundesweit nach der Automobilindustrie die höchste Bruttowertschöpfung.
Die BürgerInnen der Stadt finden immer neue Anregungen in unseren städtischen Museen und für alle Alters- und Zielgruppen werden Programme der kulturellen Bildung vorgehalten und stetig fortentwickelt. Leider wird die Kultur derzeit durch die Folgen der Covid-19 Pandemie in Potsdam wie an anderen Orten auch stark eingeschränkt. Die Potsdamer Kultur reagiert darauf mit der Stärkung von Open-Air-Angeboten im urbanen Raum. Dieser Trend, der die Stärke Potsdams mit seinen außergewöhnlichen Orten akzentuiert, könnte wegweisend für die nächsten Jahre werden.
Causales: Welche größeren privatwirtschaftlichen und öffentlichen Investitionen sind in den letzten Jahren in die Kultur der Landeshauptstadt geflossen und welchen Nutzen haben diese Investitionen für die Kultur in Potsdam?
Noosha Aubel: Die kulturelle Landschaft wird stark gestützt durch das außerordentliche Engagement des Mäzens Hasso Plattner. Mit dem Museum Barberini eröffnete er im Jahr 2017 ein Kunstmuseum im Zentrum Potsdams, das internationale Gäste anzieht und in der Fachwelt hochgeschätzt wird. Seit September 2020 ist das Barberini ein dauerhafter Präsentationsort des Impressionismus mit mehr als einhundert Werken von Künstlern wie Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Henri-Edmond Cross und Alfred Sisley aus dem Privatbesitz Hasso Plattners und aus dem Besitz seiner Stiftung. Das ist ein einmaliges Geschenk an die Stadt. Außerdem entwickelt die Hasso Plattner Foundation das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk zu einem Museum für ostdeutsche und zeitgenössische Kunst, das im nächsten Jahr eröffnen soll. Damit wird eine weit über die Stadtgrenzen strahlende Einrichtung geschaffen. Auch, da hier der Diskurs über Kunstwerke, die in der Zeit der DDR geschaffen wurden, geführt wird. Die öffentliche Hand – das Land Brandenburg gemeinsam mit der Landeshauptstadt Potsdam – hat mit der Sanierung und Renovierung kultureller Stätten wie dem Alten Rathaus, in dem sich jetzt das Potsdam Museum befindet, und der Konversion der Industriebrache bzw. dem ehemaligen Militärkomplex an der Schiffbauergasse eine kulturelle Infrastruktur geschaffen, die die Basis zeitgenössischen Kunstschaffens bildet. Jetzt geht es darum, bezahlbare Räume für freischaffende KünstlerInnen und Kreative zu entwickeln, um Potsdam noch stärker als Ort der zeitgenössischen Kunstproduktion zu positionieren. In der Mitte der Stadt entsteht ein neues Kunst- und Kreativquartier, ein Village, das die kulturelle Landschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicherlich mit neuen Impulsen versorgen wird.
Causales: Die Kultur in der Landeshauptstadt wird von vielen Kulturliebhabern mit dem Park Sanssouci oder dem Museum Barberini assoziiert. Doch in Potsdam gibt es auch das internationale Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse, auf dem Kultur produziert und angeboten wird. Welchen Stellenwert hat das Areal für die Lebensqualität in Potsdam?
Noosha Aubel: Die Schiffbauergasse ist eingebettet in das UNESCO-Welterbe und die Flusslandschaft der Havel. Denkmalgeschützte Industrie- und Militärbauten beherbergen eine lebendige Kunstszene mit dem städtischen Hans Otto Theater und freien Kulturträgern, innovatives Gewerbe, die Bundesstiftung Baukultur und gastronomische Angebote. Das Areal verfügt über ausgedehnte Open-Air-Flächen, die in den letzten Monaten sehr gut genutzt werden konnten – trotz der Beschränkungen, die die Corona-Epidemie mit sich gebracht hat. Theater, Konzerte, Performances für alle Zielgruppen ziehen jedes Jahr hunderttausende Menschen aus Potsdam, aber auch aus der Region und darüber hinaus an. Hier ist das zeitgenössische Kunstschaffen zuhause, das eine hervorragende Ergänzung zu den Schlössern und Gärten bildet, mit denen Potsdam oftmals identifiziert wird. Aber die Stadt lässt sich nicht auf das Zeitalter des Barock reduzieren – mit dem internationalen Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse wurde eine Stätte innovativer, auf die Zukunft gerichteter Kultur geschaffen.
Herzlichen Dank für das Interview!