Wenn Kampagnen für den kleineren Raum ausgesteuert werden, helfen Customer Insights dabei, die richtigen Zielgruppen zu identifizieren
Am Ende geht es immer um die Wahrnehmung: Ob Städte und Regionen oder lokale Händler – sie alle wollen mit der Zielgruppe in Kontakt kommen, ein Markenbild verbreiten oder den Umsatz steigern. Solche Ansinnen werblich zu untermauern, sollte in Zeiten von Big Data kein Problem darstellen: alles vermessen und irgendwo abgespeichert. Heiko Genzlinger, CEO der Score Media Group, ist dennoch der Ansicht, dass Big Data gattungsübergreifend in der Praxis noch nicht hält, was es verspricht: „In der Big-Data-Evolution steht die gesamte Branche noch am Anfang“, sagt der Chef des nationalen Crossmedia-Vermarkters für 29 regionale Medienhäuser. „Ich denke, wir sind hier, wenn überhaupt, gerade einmal bei 10 Prozent der Strecke.“ Viel relevanter sind aus seiner Sicht CRM-Daten (Customer-Relationship-Management), also intensive Kenntnisse über Kundenbeziehungen. Wenig verwunderlich, hebt Genzlinger in diesem Zusammenhang die Stärke der Zeitungen hervor: „Regionale Tageszeitungen verfügen hier über eine Vielzahl extrem valider Nutzer- beziehungsweise Abodaten. Diese datenschutzkonform zu sortieren, analysieren und kanalübergreifend vermarktbar zu machen, darin spielt für mich die Musik.“ Dabei gebe es aber auch hier „noch sehr viel Luft nach oben“. Immerhin ist der Buchungsvorgang durch die Bündelung der regionalen Titel und Lokalausgaben unter dem Dach von Score Media einfacher geworden. Der Vermarkter betont vor allem seine Stärke durch die Kombination aus nationaler Reichweite und regionaler Aussteuerungsmöglichkeit.
Für Werbungtreibende, die wie Medienhäuser ebenso über Informationen zu ihren bestehenden Kunden verfügen, denen aber Daten fehlen, die über den eigenen Point of Sale hinausgehen, geschweige denn, dass sie das Wissen über die Verzahnung von Online- und Offline-Aktivitäten haben, wird es umso schwieriger, wirksame Kampagnen für unterschiedliche Zielgruppen vor Ort aufzusetzen. Die entsprechenden Customer Insights erhalten sie aber nicht nur über Mediaagenturen. Kundenbindungsprogramme wie Payback oder Deutschlandcard wissen in der Regel ausgezeichnet über ihre Mitglieder Bescheid: wo diese wohnen, was sie kaufen, wie teuer es sein darf, welche Kanäle sie nutzen. „Mit diesen Informationen sind Unternehmen in der Lage, das Warenangebot besser auf ihre Kundengruppen und deren Vorlieben abzustimmen“, erklärt Dirk Kemmerer, Geschäftsführer Deutschlandcard. Customer Insights dienen ihm zufolge dazu, Neukunden in der Nähe einer Filiale zu ermitteln, Gelegenheitskäufer zu Stammkunden zu machen, neue Filialstandorte auszuwählen sowie präferierte Kauf- und Kommunikationskanäle festzustellen. „Auf Basis dieses Wissens können Händler beispielsweise ihre Filialen entsprechend konzipieren – mit einem Schwerpunkt auf Showroom oder eher Verkauf“, sagt Kemmerer. Und wenn es ums Image geht? Auch dann kommen Daten ins Spiel, allerdings etwas klassischer: Wie beispielsweise bei der aktuellen Berlin-Kampagne #FreiheitBerlin, die im März gestartet ist. Die federführende Organisation Berlin Partner hat sie unter anderem auf der Basis einer Online-Umfrage unter Berlinern aufgesetzt – schließlich sind sie es, die als Markenbotschafter ihrer Stadt als Erste angesprochen wurden. Mithilfe der Mediaagentur OMD, aber auch auf der Basis der Insights und „Sachleistungen“ der Partner – von Ströer über Wall bis hin zum „Tagesspiegel“ – wurde die Kampagne Out-of-Home und in Social Media platziert. „So können wir mit verhältnismäßig wenig Budget doch die breite Masse aktivieren, die für eine Imagekampagne relevant ist“, sagt Raukia Abrantes, Managerin Standort-Marketing, Berlin Partner.
Kulturmarken-Award
Die Marketingstrategien von Städten und Regionen stehen auch im Fokus des Europäischen Kulturmarken-Award, der am 9. November dieses Jahres zum 12. Mal verliehen wird. Neben den Kategorien „Kulturmarke“ und „Kulturmanager“ werden dort unter anderem auch Preise für „Stadtkultur“ und „Kulturtourismusregion“ vergeben. Bewerben können sich dafür noch bis 31. August Städte und Regionen, die beispielsweise über einen Gesamtauftritt oder eine erfolgreiche Kampagne verfügen, die das kulturelle Potenzial sichtbar macht, beziehungsweise auf ein kulturgeprägtes Markenmanagement setzen und die Vermarktung ihres kulturellen Angebotes zum Bestandteil ihrer Vermarktungsstrategie gemacht haben. Die Preisverleihung findet im Rahmen des zweitägigen Kulturinvest-Kongresses in Berlin statt, bei dem HORIZONT zu den Medienpartnern gehört. Informationen zur Bewerbung sowie zum Kongress sind online unter www.kulturmarken.de verfügbar.
Text von Bettina Sonnenschein, zuerst erschienen in HORIZONT, 31/2017, 03.08.2017