Herr Crepaz, was ist für Sie persönlich und aus Sicht der Kultur Ruhr GmbH der nachhaltigste Erfolg der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010?
Crepaz: Lassen Sie es mich anders formulieren: Der Erfolg liegt eben in der Nachhaltigkeit. Durch die positiven Erfahrungen der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 ist es gelungen, die Zusammenarbeit und den Austausch der Städte, Kommunen und Institutionen in der Region, der schon lange eine Vision war, endlich richtig in Schwung zu bringen. Die Idee der Kulturmetropole Ruhr ist heute in der gesamten Kulturszene – ob öffentlich gefördert oder frei – genauso fest verankert wie in der Bevölkerung.
Also tatsächlich „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ wie es das Motto 2010 versprach?
Crepaz: Ja, genau. Die Kultur ist hier wirklich ein Motor für die Entwicklung. Auch international gesehen: Die zahlreichen Institutionen im Ruhrgebiet leisten ja schon immer hervorragende Arbeit – aber erst durch die zunehmende Vernetzung haben sie es als Kulturmetropole Ruhr auf die internationale Landkarte geschafft. Urbane Künste Ruhr, Ruhrtriennale und die RuhrKunstMuseen leisten da natürlich als starke regionale Organisationen einen wesentlichen Beitrag, weil sie auf der Basis der Einzelkräfte des Ruhrgebiets Projekte mit internationaler Strahlkraft realisieren.
Urbane Künste Ruhr ist die jüngste regionale Institution. Mit welchen Programmpunkten kann die Entwicklung der Kulturmetropole Ruhr weiter vorangetrieben werden, Frau Aßmann?
Aßmann: Zuerst sind da natürlich jene Projekte zu nennen, die als direkte Fortführung erfolgreicher Formate der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 entstanden sind: EMSCHERKUNST, ÜBER WASSER GEHEN und B1|A40 – Die Schönheit der großen Straße. Alle drei sind nur hier im Ruhrgebiet vorstellbar, weil sie sich direkt auf die speziellen urbanen Gegebenheiten und Infrastrukturen der Region beziehen. Und genau deshalb finden sie bei der Bevölkerung einen enormen Rückhalt, lenken aber eben auch den internationalen Blick in besonderer Weise auf das Ruhrgebiet. Die Arbeiten der beteiligten Künstlerinnen, Künstler und Kollektive für diese Ausstellungen können so nur im Ruhrgebiet entstehen.
Kann Urbane Künste Ruhr denn auch international wirken?
Aßmann: Selbstverständlich, zum einen arbeiten wir bei allen Ausstellungen sowohl mit jungen Künstlern, die gerade international starten, wie mit gestandenen Stars der Szene zusammen. Wichtiger ist aber vielleicht noch, dass wir, gerade weil diese Prozesse so einmalig sind und auf einem völlig neuen Verständnis von Kunst im urbanen Raum beruhen, sie durch zahl- reiche diskursive Formate wie den Urbane Künste Ruhr Salon und das gleichnamige Symposium begleiten, um die Region auch am Prozess teilhaben zu lassen und unsere Erkenntnisse in den internationalen Kunstdiskurs einzuspeisen.
Und das ist nur mit der Vernetzung möglich, die Herr Crepaz bereits angesprochen hat?
Aßmann: Absolut. Alle drei Projekte sind nur regional denkbar. Übrigens auch die Projekte, die Urbane Künste Ruhr jedes Jahr mit der Ruhrtriennale in Kooperation realisiert. Im vergangenen Jahr sahen 15.000 Besucher die Lichtinstallation Pulse Park von Rafael Lozano-Hemmer im Bochumer Westpark. Dieses Jahr wird Tower am Welterbe Zollverein von rAndom International mit Sicherheit ein noch größerer Erfolg. Solche spektakulären Arbeiten sind nur durch die Zusammenarbeit starker regionaler Organisationen möglich.
Kommen wir noch einmal zurück zu den Effekten, die Kultur für das Ruhrgebiet haben kann. Was ist bei der Vermarktung der Kulturmetropole Ruhr wichtig?
Crepaz: Da stehen ganz klar zwei Dinge im Fokus: Authentizität und Kontinuität. Die größte Qualität des Ruhrgebiets ist seine Einzigartigkeit als polyzentrische Metropolregion. Das müssen wir nutzen – der Vergleich mit traditionellen Kulturmetropolen hilft uns da nicht weiter. Mit der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 haben wir diese Einzigartigkeit im internationalen Bewusstsein verankert. Jetzt ist entscheidend, gezielt bei einem kunst- und kulturaffinen Publikum dieses Image zu festigen. Die Ruhrtriennale ist da nur ein Baustein, Urbane Künste Ruhr ist ein weiterer. Eine Veranstaltung wie EMSCHERKUNST ist eine Marke, die auch über das Einzelevent hinaus die Idee der Kulturmetropole Ruhr beim Zielpublikum festigt.
Zum Abschluss: Frau Aßmann, wie sehen Sie die Entwicklung der Region in den nächsten Jahren?
Aßmann: Wie Lukas Crepaz bereits sagte, wird Urbane Künste Ruhr mit seinen Veranstaltungen weiter dazu beitragen, dass die Kulturmetropole Ruhr an Attraktivität gewinnt. Die enge Verzahnung unserer Arbeit mit der Forschung stärkt auch in diesem Bereich das Interesse am Ruhrgebiet. Und nicht zuletzt werden durch die langfristige Zusammenarbeit von Künstlern und Bevölkerung in den Mobilen Laboren direkt vor Ort im Ruhrgebiet Veränderungsprozesse angestoßen, deren ganzes Potenzial heute noch kaum zu ermessen ist.
Herzlichen Dank für das Interview Frau Aßmann, Herr Crepaz.
(Dieses Interview ist im Jahrbuch Kulturmarken 2014 erschienen)