Die Berliner Kreativwirtschaft nimmt in der Metropole eine bedeutende Rolle ein und hat sich inzwischen zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt. Die KulturBrauerei ist ein wesentlicher Bestandteil der Berliner Kulturwirtschaft und versteht sich mit über einer Million Besucher pro Jahr als "melting pot" der kulturellen Szene der Hauptstadt. Sie vereint im einzigartigen Ambiente eines bauhistorischen Areals die Kreativität und Vitalität der modernen Kulturlandschaft. Zu dieser Thematik sprach Lorenz Pöllmann von der Agentur Causales mit Sören Birke, Geschäftsführer der Consense Gesellschaft zur Förderung von Kultur mbH, die vom Land Berlin 2002 mit der Bewirtschaftung des Kesselhauses sowie des Maschinenhauses der Berliner KulturBrauerei beauftragt wurde.
Pöllmann: Wie konnte sich eine alte Brauerei zu einem der bedeutendsten Kulturbetriebe Berlins entwickeln?
Birke: Durch ... ein Konzept, engagierte Menschen und Geld. Am Anfang sind kreative Ideen in einen Immobilienleerstand projiziert worden. Ideen, die mit einer anderen besseren Lebensumwelt zu tun haben. Dann stand die mutige Entscheidung 50 Millionen Euro für die Sanierung in eine abgenutzte urbane Infrastruktur zu investieren. Immerhin war die alte Brauerei vor der Sanierung eine Ruine, wenn auch eine bedeutende. Insofern war der Wunsch, dieses Industriedenkmal des 19. und 20. Jahrhunderts zu erhalten ein wichtiger Motivationsgrund zur Sanierung durch die Treuhand Liegenschafts-Gesellschaft (TLG). Das ursprüngliche Ziel der Initiatoren der KulturBrauerei war es, Lücken zu schließen, die in der Umbruchgesellschaft nach 1989 entstanden sind. Es sollte kulturelle Plätze geben, an denen öffentliche, gesellschaftliche Auseinandersetzungen stattfinden konnten, an denen kulturelle Innovation und künstlerisches Laborieren praktiziert wird. Die alte Brauerei war ideal dazu, lud regelrecht ein. In diesem Zusammenhang war es wichtig, dass die inhaltliche Konzeption ganzheitlich von Spezialisten erarbeitet wurde. Hieraus konnte die Herausforderung eine neue Identität entstehen zu lassen, alte und neue Werte zu hinterfragen, durch gutes Sondieren und Zusammenstellen der einzelnen inhaltlichen Aspekte geleistet werden. Im Vordergrund stand die Forderung „Kultur als Lebensmittel“ zu begreifen für dessen Verfügbarkeit der Staat Verantwortung zu übernehmen hat. Dieser Verantwortung wurde wirtschaftlich nicht ausreichend nachgegangen, so dass 12 Jahre nach der Sanierung das Konzept der KulturBrauerei überdacht werden musste.
Pöllmann: Das war im Jahr 2002. Wie entstand aus diesem ursprünglichen Konzept die KulturBrauerei, wie sie heute bekannt ist?
Birke: Nachdem diese erste Generation nicht wie geplant weiterarbeiten konnte, ergaben sich einige programmatische Änderungen. Kultur wurde allgemeiner und offener gefasst. Ziel war es fortan, die KulturBrauerei zu einem Ort zu machen, an dem durch das Medium Kunst und Kultur im engeren und weiteren Sinne Begegnungen und kulturelle Kommunikation ermöglicht werden. Gleichzeitig ergab sich die dringende Notwendigkeit der Annäherung an ökonomische Prozesse. Was auch zu einer Änderung des inhaltlichen Angebotes führte. Dabei sind auch Verluste zu konstatieren. Die Bildende Kunst und deren Diskurse konnten hier nicht gehalten werden. Insgesamt hat die KulturBrauerei jedoch durch ein erweitertes inhaltliches Angebot viel gewonnen. Die Kulturbrauerei wollte immer ein Ort für alle sein. Durch populärere Programme haben sich die Besucherzahlen inzwischen vervielfacht. Die KulturBrauerei wollte immer ein bezirksübergreifendes Projekt für ganz Berlin sein. Nun soll sie in einer nächsten Phase internationale Bedeutung gewinnen.
Pöllmann: Die KulturBrauerei vereint heute Betriebe wie Konzertveranstalter, kreative Dienstleister und Agenturen, Theater, Cafes bis hin zu einem Supermarkt. Wie kann der Charakter des Angebots der KulturBrauerei heute beschrieben werden?
Birke: Die KulturBrauerei ist ein Wirtschaftsstandort mit unterschiedlichsten Kreisläufen. Der Charakter wird geprägt von einer Vielfalt und einer ungemeinen Lebendigkeit. Sicherlich ist die KulturBrauerei unscharf in ihrer Profilierung, die klaren Abgrenzungen finden individuell im jeweiligen Angebot statt. Hierbei ist es egal, ob es sich um das No Limits Festival (Theater geistig behinderter Menschen), das Poesie Festival, Klassik Open Air, die Popkomm, die O30 Party, das polnische Festival Terra Polska, den Lucia-Weihnachtsmarkt, Club-, Kino-, Partynächte oder Yogakurse handelt. Das Alleinstellungsmerkmal der KulturBrauerei liegt eben in dieser Heterogenität der Angebote: hier können ausdifferenzierte kulturell-künstlerisch-soziale Milieus unterschiedliche kulturelle Praktiken realisieren. Letztendlich bietet die KulturBrauerei Möglichkeiten zur Reproduktion der Arbeitskraft, zur Entspannung wenn man so will. Und dies je nach Bedarf, entweder durch den Besuch von Lesungen, Konzerten, Theater oder Partys.
Pöllmann: Welche Rolle spielten wirtschaftliche Interessen der Initiatoren, des Landes Berlin und der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft bei der Entscheidung, die KulturBrauerei ins Leben zu rufen?
Birke: Grundlegendes Ziel war es durch die kulturelle Belebung des Standortes insgesamt den Prenzlauer Berg politisch und gesellschaftlich zu stabilisieren, was sich natürlich auch auf die Wirtschaft vor Ort auswirkt. Viele Betriebe im Bezirk rund um die KulturBrauerei sind mit ihr gewachsen und groß geworden. Aber auch der Sanierung der KulturBrauerei liegt ein betriebswirtschaftliches Konzept zu Grunde. Über ein Mischkonzept unterschiedlicher Mieten, die nichtkommerzielle und kommerzielle Betriebe entrichten, kann diese für Besucher attraktive Vielfalt realisiert werden, die sich dennoch aus ökonomischer Perspektive rentiert. Da das Prinzip über Kultur Lebensqualität zu schaffen und damit Standorte zu entwickeln aufgeht, findet man es auch seit Jahren in sämtlichen Stadtentwicklungskonzepten immer wieder vor.
Pöllmann: Inwieweit werden lokale Betriebe in die Organisationsstruktur der Kulturbrauerei miteinbezogen? Welche Bedeutung hat das wirtschaftliche Netzwerk der KulturBrauerei mit ihren Partnern für Berlin?
Birke: Obwohl die meisten Betriebe in der KulturBrauerei natürlich auch mit Partnern außerhalb Berlins kooperieren finden tatsächlich die meisten wirtschaftlichen Partnerschaften vor Ort statt. Dies hängt auch mit dem vorhin angesprochenen gemeinsamen Wachsen an diesem Standort zusammen. Inzwischen erwirtschaftet die KulturBrauerei sowie die angrenzenden Betriebe einen Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe. Insofern ergibt sich natürlich eine entsprechende Bedeutung für die Berliner Finanzwirtschaft. Ermöglicht durch den Inhalt: die Kunst und die Kultur.
Pöllmann: Herzlichen Dank für das Interview, Herr Birke.
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