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Interview

Der Einfluss gesellschaftlicher Veränderungen auf die Gestaltung eines Klassikmagazins - Interview Gregor Willmes, FONO FORUM

In Zeiten medialer Überflutung durch Fernsehen, Printmedien und Internet ist es eine Herausforderung, ein Klassikmagazin zu gestalten. Seit 51 Jahren stellt sich das Klassikmagazins FONO FORUM den Entwicklungen im Musikmarkt und einer sich wandelnden Zielgruppe.

Eva Neumann von der Agentur Causales traf den Chefredakteur Gregor Willmes und sprach mit ihm über die Herausforderung, ein Klassikmagazin zu gestalten und über das Publikum von morgen.

Neumann: In Zeiten des Internets haben Magazine heute einen schwierigen Stand. Für die Zeitschrift FONO FORUM kommt erschwerend hinzu, dass klassische Musik kein Mainstream-Thema ist. Was muss man heute tun, um ein attraktives Klassikmagazin zu gestalten?

Gregor Willmes: Ein attraktives Klassikmagazin zu gestalten, ist heute wohl genauso schwierig oder leicht wie vor 50 Jahren. Man braucht spannende Geschichten, gute Autoren und vielleicht heute doch noch mehr als damals eine ansprechende Optik mit schönen Fotos. Schwieriger ist es heute allerdings angsichts der Flut von Zeitschriften am Kiosk, ein Publikum zu finden. Es gibt nach wie vor ein großes Publikum für Klassik. Und der Boom von neuen Konzerthäusern etwa im Ruhrgebiet, der auch eine Erweiterung des Angebot mit sich gebracht hat, beweist das. Man muss nur innerhalb der medialen Überflutung von Fernsehen, Printmedien und Internet sein Publikum finden. Dabei sehen wir gerade das Internet als Chance an. Wir arbeiten gezielt und ständig an unserer Intertnetseite, verschweißen sie eng mit unserem Printprodukt, um so all jene anzusprechen, die im Internet nach Informationen über Klassik suchen. Das ist ein langwieriger Prozess, aber er bringt schon jetzt erste Erfolge, indem wir sehr viele Abo-Bestellungen über das Internet erhalten.

Neumann: FONO FORUM gibt es inzwischen seit über 50 Jahren. Wie hat sich in dieser Zeit das Publikum des Magazins verändert?

Gregor Willmes: Das FONO FORUM wurde vor 51 Jahren als Schallplattenzeitschrift gegründet, parallel zum Aufkommen der Langspielplatte in den 50er Jahren. So bestand das Publikum zu Beginn vor allem aus Plattensammmlern. Und noch heute sind wir im Bereich der Tonträger-Kritik in Deutschland das bedeutendste Magazin. Aber die Gruppe der Schallplattensammler ist heute zu klein, um solch ein aufwendig gemachtes Magazin auf Dauer am Leben zu erhalten. So haben wir uns gerade in den letzten drei Jahren erfolgreich bemüht, das Heft mehr und mehr zu einem allgemeinen Musikmagazin zu machen, das auch den ganz normalen Konzert- und Festivalbesucher anspricht.

Neumann: Wie sehen diese Bemühungen der inhaltlichen Umgestaltung konkret aus?

Gregor Willmes: Wir stellen beispielsweise immer wieder einzelne Philharmonien vor, von München bis Hamburg, von Essen, Dortmund und Duisburg bis Berlin. Wir geben in einem ausführlichen Serviceteil Konzerthinweise und kommentierte Konzerttipps. Wir stellen in kleinen Meldungen und größeren Berichten Festivals vor, bieten immer erfolgreicher eigene Leserreisen an, verführen unser Publikum also immer stärker, Musik zwar auch in den eigenen vier Wänden zu genießen, aber nicht allein dort, sondern auch live im Konzertsaal.

Neumann: Welche Tendenz sehen Sie in der Entwicklung des Publikums klassischer Musik?

Gregor Willmes: Der Kreis der Kenner, der musikalisch vorgebildetenm Konzertbesucher wird kleiner. Das Drumherum, auch der gesellschaftliche Eventcharakter, also der Sekt in der Pause, das gemütliche Essen danach, wird wichtiger. Ich möchte das gar nicht verurteilen, weil ich beispielsweise auch sehr gern nach dem Konzert Essen gehe. Und als Chefredakteur einer Musikzeitschrift muss ich das sogar als Chance begreifen. Die Menschen interessieren und begeistern sich ja nach wie vor für Klassik. Sie haben nur in Elternhaus und Schule nicht mehr so viel gelernt und erfahren wie frühere Generationen. Deshalb ist unsere Zeitschrift in den letzten Jahren etwas „pädagogischer“ geworden, erklärt mehr, bringt mehr Tipps für Einsteiger, stellt etwa Komponisten und ihr Werk vor und empfiehlt die dazu passenden CDs – auch als Vorbereitung auf den Konzertbesuch.

Fono ForumNeumann: Inwiefern sehen Sie in dieser Frage Handlungsbedarf für Kulturbetriebe mit der gleichen Zielgruppe?

Gregor Willmes: Ich denke, dass die Verantwortlichen im Kulturbetrieb längst handeln. Einerseits, indem sie auf die Wünsche des Publikums reagieren und den Zuhörern vor allem wohl bei Festivals mit Konzerten in außergewöhlichen Räumlichkeiten oder mit besonderen „kulinarischen“ Angeboten – auch im übertragenen Sinne – entgegenkommen. Andererseits gab es wohl noch nie so viele Education-Programme wie heute, wo Veranstalter bewusst versuchen, einem jungen Publikum einen emotionalen Bezug zur klassischen Musik und in vielen Fällen gleichzeitig auch Wissen über Klassik zu vermitteln. Education kann in diesem Fall übrigens auch sein, dass Philharmonien Hefte von uns in größerer Auflage zum Sonderpreis kaufen und kostenlos an ihr Publikum verteilen. Das haben wir schon in Kooperation mit mehreren Häusern realisiert, wenn wir beispielsweise Komponisten oder Interpreten vorgestellt haben, die diesen Häusern besonders verpflichtet waren. Der Konzertbesucher erfährt beispielweise mehr über die Artists in Residence und wird angeregt, weitere Konzerte zu besuchen. Und für uns sind die verteilten Hefte natürlich eine wunderbare Werbung.

Neumann: Herr Willmes, vielen Dank für das Interview.