Die Welt schließt ihre Fenster. Angesichts der sich entfaltenden globalen Krisen, wie der jüngste Ausbruch der Pandemie Covid 19, der anhaltenden finanziellen Instabilität der globalen Marktwirtschaft und vor allem der Klimakatastrophe, die das prinzipielle Potential des Lebens bedroht, drängt es uns, unsere Prinzipien, Ziele und Methoden als nomadisches, reisendes, alle zwei Jahre stattfindendes Ereignis zu überdenken und neu zu gestalten.
Die Mobilität von Kunstschaffenden, Kunstwerken und Wissen ist seit der Entstehung der Manifesta im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und der fortschreitenden Globalisierung von Kunst und Kultur von wesentlicher Bedeutung. Doch das Modell der alle zwei Jahre stattfindenden Ausstellungen sowie das immer weiter expandierende Modell der weltweit operierenden Kunstmessen ist eine beispielhafte Form des globalen Event-Expansionismus seit den 1990er Jahren, erweist sich aber auch auf lange Sicht als nicht zukunftstauglich.
Der Konsum künstlerischer Veranstaltungen wie Messen, Biennalen, Museumsausstellungen usw. hat sich ebenfalls verändert; er hat die öffentlichen Institutionen geschwächt und der Entwicklung und Lancierung von Museen, Veranstaltungen und Kunstinstitutionen in Privatbesitz Vorrang eingeräumt sowie die Geschwindigkeit des Kunstkonsums erhöht, wodurch die Aufmerksamkeit des Betrachters oft vom Kunstwerk auf das Spektakel an exotischen Orten, an denen diese Veranstaltungen stattfanden, abgeflacht ist.
Manifesta, die sich ihres Anteils an der Globalisierung innerhalb der Kunstwelt durchaus bewusst ist, hat bereits vor zehn Jahren damit angefangen zu überprüfen, wie sie ihren Kurs ändern könnte. Manifesta glaubt immer noch an die Kraft und den unglaublichen Wert von nachhaltiger Mobilität, internationalem Austausch, Kapazitätsaufbau und globalen Koproduktionen neuer Kunstwerke, insbesondere in den Gebieten, in denen der Kunstmarkt keinen Einfluss hat, wie Palermo, Marseille oder Pristina. Sie ist aber gleichzeitig davon überzeugt, dass wir eine Verlangsamung der Mobilität brauchen, das wir nachhaltigere und langfristigere lokale und regionale Praktiken entwickeln müssen, die einen starken Einfluss auf die lokale Szene haben und in einem radikal anderen künstlerischen Modus umgesetzt werden, das in einem bedächtigeren, weniger konsumtiven Modell verwurzelt ist. Deshalb wenden wir uns nun vermehrt einem neuen Regionalismus zu – statt nur die abstrakten und oft entmenschlichenden Perspektive global operierender Geschäftsmodelle weiter zu verfolgen.
Wie kann dies aussehen? Indem wir von der monodisziplinären Produktion einer bloßen Ausstellungsreihe für internationale Biennale-Fachleute wegkommen und unseren Schwerpunkt auf Forschung und Wissensproduktion verlagern – wie zum Beispiel durch unsere urbanistischen Studien in Marseille und Palermo, unsere Idee der Bürgerversammlungen während der Manifesta 13, unsere Projekte im Bereich Mediation und sozialkulturelle Lernprojekte und deren Umsetzung neuer pädagogischer Methoden in Schulen und Institutionen wie in Palermo und Marseille. All diese Projekte sind für die Presse und Art Professionals meist unsichtbar, sie helfen bei der Unterstützung von Sanierungsprojekten und bei der Schaffung und Unterstützung von Resilienzprogrammen, die sowohl bei der Manifesta 12 in Palermo als auch bei der Manifesta 13 in Marseille im Mittelpunkt standen bzw. stehen. Oder um es kurz zu sagen: Sie stärken vor allem bereits bestehende Bürgerinitiativen und -aktivitäten vor Ort, sie unterstützen die Bestrebungen lokaler Akteure, ihre Städte zurückzuerobern.