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BMW Art Car #18

BMW Art Car #18 der chinesischen Künstlerin Cao Fei © BMW AG und Cao Frei Studio

Fachbeitrag

Ein Gesicht für die Marke

Kultur besitzt, woran es Wirtschaftsmarken oft mangelt: große Emotionen und Glaubwürdigkeit. Die können Unternehmen aber auf ihre Marken übertragen – mit Partnerschaften statt Werbung

Um das neueste BMW Art Car zu erleben, muss man eine App herunterladen. Denn nur wer damit durch seine Handykamera auf das karbonschwarze Fahrzeug blickt, sieht das Design der chinesischen Künstlerin Cao Fei . Bunte Lichtstreifen tanzen um den Ende Mai vorgestellten BMW M6 GT3. Augmented Reality macht’s möglich. Die App schießt von der Kombination aus realem Rennwagen und virtueller Installation Fotos, die die Betrachter online teilen sollen. Das Art Car ist im Social-Media-Zeitalter angekommen.

Zum 40. Jahrestag der Reihe sollte die Kollektion gleich um zwei Autos erweitert werden. Dafür wählte eine Jury aus Museumsdirektoren und Kuratoren neben Cao Fei den Amerikaner John Baldessari, der sein Art Car schon 2016 vorstellte. Es ist ein wahr gewordener Marketingtraum: Eine Chinesin und ein Amerikaner als Art-Car-Künstler – beide aus wichtigen Märkten für BMW. Umso notwendiger sei es, darauf hinzuweisen, dass die Jury autark entschied, sagt Thomas Girst, Leiter des Kulturengagements.

Nicht nur irgendwo Logos hinkleben

Beim Kultursponsoring geht es um Glaubwürdigkeit. Publikum und Veranstalter sind anspruchsvoll und kritisch. Sich einzumischen oder plump zu werben kommt nicht gut an. Deshalb sind BMW die Freiheit der Künstler, das Networking, die Partnerschaft auf Augenhöhe und die Langfristigkeit bei Projekten wichtig. „Wir wollen nicht nur irgendwo ein Logo hinkleben, sondern bedeutende Inhalte transportieren und ein Erlebnis kreieren“, erklärt Hedwig Solis Weinstein, Head of BMW Brand Cooperations, Arts & Design. Sie ist wie Girst für Kulturengagement verantwortlich, jedoch aus Brandmanagement-Sicht, und fördert Veranstaltungen für große Zielgruppen. „Da geht es darum, öffentlichkeitswirksam aufzutreten.“ Girst verantwortet in der Kultur auch den Bereich Corporate Citizenship. Er will Akzente für die Strahlkraft des Unternehmens setzen. „Wie viele Autos man verkauft, darf nicht im Vordergrund stehen.“ Das Image ist ein besonders wichtiger Faktor: 60 Prozent der im Kultursponsoring aktiven Unternehmen haben ihre Aktivitäten auf Imageziele ausgerichtet. Das geht aus der Studie „Sponsor-Trend 2017“ von Nielsen Sport hervor. Sie zeigt, dass Kultursponsoring aus Sicht der Branche an Bedeutung gewinnt: Während sich 2014 noch 40 Prozent der befragten Sponsoringentscheider im Bereich Kultur engagierten, waren es im Jahr darauf 51 Prozent und 2016 sogar 57 Prozent.

„Kultur ist ein attraktiver Kooperationspartner, weil sie besitzt, woran es Wirtschaftsmarken im Allgemeinen mangelt: Emotionalität, Vitalität und Lebendigkeit“, sagt Hans-Conrad Walter, Geschäftsführer der Marketing- und Sponsoringberatung Causales, die außerdem eine Kulturanbieter-Datenbank betreibt und Kongresse veranstaltet. Europäische Unternehmen geben circa 4,6 Mrd. Euro pro Jahr für kulturelles Engagement aus. In Deutschland sind es 400 Mio. Euro – fünf Prozent der Kulturförderung. Im Vergleich zum Sportsponsoring sind das Peanuts. Allein die 36 Mannschaften der ersten und zweiten Fußballbundesliga haben in der Saison 2015/16 fast doppelt so viel, nämlich 773 Mio. Euro, mit Werbung eingenommen. Der Sportmarkt ist wesentlich professionalisierter und kommerzieller. Aber er ist zunehmend umkämpft und es wird schwieriger für Marken mit moderaten Budgets, aus der immer größer werdenden Masse an Sponsoren herauszustechen. Anders sieht es auf dem Kultursponsoringmarkt aus, der noch unverbraucht ist und daher Potenziale in verschiedene Richtungen bietet. Und: Nicht jeder interessiert sich für Sport. Das weiß auch SAP und hat neben einem breiten Engagement im Sport vor wenigen Jahren das Kultursponsoring für sich entdeckt. Seitdem sponsert der Softwarekonzern den Cirque du Soleil, den Konzertveranstalter Live Nation und nun die Elbphilharmonie in Hamburg. Erst im August 2016 hat SAP die Gespräche mit dem Konzerthaus aufgenommen. Deswegen müssen einige Absprachen des Sponsoringvertrags noch finalisiert werden. Aber Hauptsache, der Konzern war bei der Eröffnung im Januar dabei. Dass SAP mit dem Sponsoring ein gewisses Risiko eingeht, war Lars Lamadé, Head of Sponsorships für Europa und Asien, bewusst. Schließlich machte die Elbphilharmonie bis kurz vor der Eröffnung vor allem mit negativen Schlagzeilen von sich reden. Die Kultur ist eben, wie der Sport, nicht skandalfrei. SAP hat darauf spekuliert, dass sich die negative Stimmung nach der Eröffnung ins Positive umkehrt – und behielt recht. „Wir gehen davon aus, dass die Elbphilharmonie zu einem der wichtigsten Wahrzeichen Deutschlands wird“, ist Lamadé überzeugt. Der Softwarehersteller unterstützt sie mit einem nicht öffentlich kommunizierten Geldbetrag und wird in Zukunft seine Software zum Einsatz bringen. Im Gegenzug erhält SAP das Vorkaufsrecht für ein Kartenkontingent und wird auf allen Kanälen als Sponsor genannt. Außerdem darf der Konzern dort jedes Jahr ein eigenes Konzert veranstalten und in den Räumen Events abhalten. Eine konkrete Methode, um den Erfolg zu messen, hat SAP nicht. „Da können wir uns totmessen“, sagt Lamadé. „Wir werden kaum feststellen können, ob jemand wegen der Elbphilharmonie unsere Software gekauft hat.“ Aber das Feedback der Mitarbeiter und Kunden wird getrackt, genauso wie die Reaktionen in sozialen Medien. Das Geld für umfangreiche Analysetools investiert er lieber in neue Projekte. Dass selbst ein Softwareentwickler bei einer Marketingdisziplin kaum Wert auf Analytics legt, zeigt: Kultursponsoring kann eine Sonderstellung im Marketingmix einnehmen. Es geht um Kundenbindung, Markenstärkung, soziales Engagement, Langfristigkeit – also um das Gegenteil von automatisiert gebuchten Schweinebauch-Bannern, Retargeting oder Clickbait-Content. Die Sparkasse n-Finanzgruppe fährt mit ihrem Kultursponsoring beide Strategien gleichzeitig: Image und Abverkauf. Jedes Jahr steckt sie 130 Mio. Euro in Kunst und Kultur und ist damit nach eigenen Angaben der größte nicht staatliche Kulturförderer in Deutschland. Die einzelnen Sparkassen nutzen dieses Geld, um die Kultur in ihren Einzugsgebieten zu fördern. Die Stadtsparkasse München zum Beispiel pflegt langjährige Partnerschaften mit den Münchner Symphoniker n und dem Tollwood -Festival, bei dem sie die S-Beach-Bar mit Strandkörben sowie Geldautomaten aufbaut. Wichtig ist ihr, dass die Kooperationen auf Gegenseitigkeit beruhen. Schon allein weil der Gesetzgeber für Sponsoringmaßnahmen vergleichbare werbliche Gegenleistungen fordert. Alles andere wären Spenden. „Natürlich wählen wir auch nach werblichen Kriterien aus“, erklärt Gabriele Nellissen, Leiterin Förderengagement- und Eventmanagement. Das Zielpublikum der Veranstaltung soll mit der eigenen Zielgruppe übereinstimmen. Um den vertrieblichen Ansatz zu fördern, gehören nicht nur Medialeistung und Eintrittskarten zu den Gegenleistungen, sondern ebenfalls Promotion-Aktionen.

Dadurch wird Kultursponsoring besser messbar. Laut einer Causales-Studie führen 70 Prozent der europäischen Kulturanbieter Kontrollen durch. Tendenz steigend. Auch bei BMW durchlaufen die Veranstaltungen ein Monitoring. Der Autobauer misst KPIs wie die Anzahl der erreichten Personen, Anzahl der Leads einer Veranstaltung sowie die Social-Media-Reichweite. Die digitale Aktivierung, etwa über Social Media, und Storytelling sind im Bereich Kulturmarketing ein wichtiger Trend, sagt Causales-Chef Walter. Zum Beispiel liefern die Kulturpartnerschaften Material für Liveberichterstattung, Livevideos, Blogs und anderes Contentmarketing. So kann die Reichweite über das Publikum am Ort hinaus vergrößert und das kleinste Budget maximal ausgeschöpft werden.

Denn Kultursponsoring ist nicht vom finanziellen Background, der Unternehmensgröße oder -branche abhängig, betont Hans-Conrad Walter. Jedes Unternehmen kann gesellschaftliche Verantwortung als Kultursponsor übernehmen, um die eigene Marke mit Sympathie aufzuladen. Da Kulturkonsumenten allgemein kritisch sind, sei es jedoch schwierig beispielsweise für Rüstungshersteller, die Pornoindustrie und das Glücksspiel. Bei Bayer sind die eigenen Mitarbeiter und deren Familien das Zielpublikum. Gegründet hat das Unternehmen die Kulturabteilung 1907, als es nach Leverkusen zog. Dabei stand die Lebensqualität der Mitarbeiter im Mittelpunkt. Neben dem Werksgelände und der Infrastruktur hat der damalige Chef das Erholungshaus gebaut. Dort organisiert das Unternehmen seitdem eigene Veranstaltungen für Musik, Tanz, Theater und Kunst. 100 Events sind es pro Jahr. Außerdem unterstützt es die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen. „Kulturelle Bildung ist nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Schönen und Guten, sie fördert Kreativität und Andersdenken“, sagt Thomas Helfrich, Leiter der Kulturabteilung. Das sind Schlüsselkompetenzen in einer immer komplexeren Arbeitsumgebung. Kultur ist damit auch ein Standort- und Wirtschaftsfaktor. Und Kulturengagement wird in Zeiten des akuten Fachkräftemangels sogar zum wichtigen Baustein im Recruiting.

Dieser Text ist zuerst erschienen im W&V Magazin vom 17.07.2017, Seite 44-48.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlag Werben & Verkaufen GmbH sowie von Süddeutsche Zeitung Content.

 

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